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"Wir blicken in bester Verfassung nach vorne"

Dank überragendem Auslandsgeschäft erreichte Deutsche Post DHL Group im Jahr 2022 eine neue Bestmarke. Der Umsatz verbesserte sich im Vergleich zum Vorjahr um 15,5 Prozent auf 94,4 Milliarden Euro. Das operative Ergebnis (EBIT) stieg um 5,7 Prozent auf 8,4 Milliarden Euro. Im Interview mit DPDHL Group News spricht Vorstandschef Frank Appel über das Geschäftsjahr 2022 und erläutert, warum der Konzern auch trotz weltwirtschaftlicher Unsicherheiten sehr gut aufgestellt ist.

Herr Appel, wie bewerten Sie das Geschäftsjahr 2022?

Frank Appel: Es war ein sehr erfolgreiches Jahr, aus dem wir als Konzern in bester Verfassung herausgehen. Das ist in Zeiten von Krieg, Inflation und Energiekrise eine enorme Leistung unserer Beschäftigten und keine Selbstverständlichkeit. Möglich gemacht hat das unser gut ausbalanciertes Portfolio an Logistikdienstleistungen und eine effiziente Reaktion auf die volatilen externen Einflussfaktoren. Die herausragenden Treiber unseres sehr guten Ergebnisses in 2022 waren die internationalen DHL Divisionen Global Forwarding, Freight, Supply Chain und Express. Das zeigt uns, dass wir mit unserer "Strategie 2025" die richtigen Schwerpunkte gesetzt haben und sich der Fokus auf unser profitables Kerngeschäft auszahlt. 

Sie sprechen die "volatilen Zeiten" an. Wie blicken Sie auf das kommende Jahr? 

Frank Appel: Die starke Ergebnisentwicklung der vergangenen zwei Jahre ist ein eindrucksvoller Beleg für die Resilienz unseres Geschäftsmodells gegenüber wirtschaftlichen Herausforderungen. Dennoch sind wir nicht vollständig immun gegen makroökonomische Entwicklungen und haben die nachlassende weltwirtschaftliche Dynamik bereits im vierten Quartal 2022 gespürt. So verzeichneten die B2B-Volumina zum Jahresende einen Rückgang. Die schwächere Nachfrage hat die im Jahresverlauf beobachtete Entspannung der internationalen Transportmärkte weiter beschleunigt. Gleichzeitig hat sich der Onlinehandel erwartungsgemäß normalisiert. Zudem bremste die Inflation die Konsumlaune etwas und führte zu einem weniger stark ausgeprägten Weihnachtsgeschäft als noch im Vorjahr. Auf diese Entwicklungen waren wir vorbereitet und beobachten die Situation weiterhin sehr aufmerksam, wobei wir bewährte Steuerungsinstrumente nutzen. Das heißt, wir behalten unsere Kosten fest im Blick und achten auf ein diszipliniertes Ertrags- und Cash-Management.

Was bedeutet das konkret für die kurz- und mittelfristige Ergebnisentwicklung des Konzerns?

Frank Appel: Aufgrund der anhaltenden Ungewissheit über den Verlauf der wirtschaftlichen Erholung haben wir uns erneut für eine Szenario-basierte Ergebnisprognose entschieden. Wir gehen davon aus, dass die erste Jahreshälfte besonders herausfordernd wird. Die Frage ist jedoch, wie lange es braucht, bis die weltwirtschaftliche Erholung wieder an Dynamik gewinnt. Sollte dies schon zur Jahresmitte der Fall sein, trauen wir uns ein EBIT von rund 7,0 Milliarden Euro zu. Im schlechtesten Fall bleibt eine nennenswerte Erholung in 2023 aus. Doch auch für dieses Szenario sehen wir uns in der Lage, ein EBIT von mindestens 6,0 Milliarden Euro zu erreichen. Entsprechend erwarten wir unser EBIT in 2023 innerhalb einer Bandbreite von 6,0 bis 7,0 Milliarden Euro. Mittel- und langfristig sind wir weiter von unserer guten Perspektive überzeugt. Bis 2025 wollen wir erneut wachsen und haben dafür die besten Voraussetzungen. Mit unserem Portfolio sind wir gut aufgestellt für den kommenden Konjunkturaufschwung - wann immer dieser eintreten wird -, strukturell höhere Wachstumsraten im E-Commerce und ein fortgesetztes Outsourcing von Logistiklösungen.

In der Vergangenheit haben Sie immer wieder die Vorteile der Globalisierung betont. Nach den Entwicklungen des vergangenen Jahres werden Debatten um De-Globalisierung lauter. Ist das für Sie nachvollziehbar?

Frank Appel: Die Entwicklung der vergangenen Jahre, wie Brexit, Covid oder der Krieg in der Ukraine, hat das Bewusstsein für nationale Grenzen wieder stärker ausgeprägt. Sie gibt Anlass zur Sorge und bietet Nährboden für zunehmenden Protektionismus. Dass Kritiker die globalisierte Welt in Frage stellen, ist per se nichts Neues. Dennoch halte ich es für falsch und gefährlich. Ich bin überzeugt: Große Herausforderungen sind nur mit global vereinten Kräften zu bewältigen - die Pandemie und auch die Energiekrise haben das eindrücklich gezeigt. Die am stärksten vernetzten Länder kamen und kommen am besten durch die Krise - nicht die, die sich isolieren. Wahrscheinlich werden wir künftig stärker diversifizierte Lieferketten sehen. Im Moment beobachten wir aber weltweit keine fundamentale Verschiebung in Richtung einer stärker regionalisierten Wirtschaft. Das nach wie vor wichtigste Argument ist für mich: Globalisierung bedeutet Frieden. Der Zusammenhang von wachsenden Handelsbeziehungen und dem Rückgang militärischer Aktivitäten in den vergangenen hundert Jahren ist erwiesen. Aber auch eine globalisierte Welt ist keine perfekte Welt. Zukünftiges Wirtschaftswachstum durch freien Handel und Globalisierung muss fair verteilt und inklusiv sein - dann profitieren alle davon und die Idee einer globalisierten Welt kann überzeugen. Deswegen nutzen wir als Unternehmen unsere ganze Energie dafür, Menschen zu verbinden und Leben zu verbessern.

Lassen Sie uns nun einen Blick auf die Geschäftsbereiche werfen. Wie bewerten Sie das Ergebnis von DHL Express im abgelaufenen Geschäftsjahr?

Frank Appel: DHL Express hat erneut sehr gute Zahlen geliefert - trotz starker Gegenwinde, z.B. in Form von negativen Währungseffekten beim operativen Ergebnis. Die Sendungsmengen haben sich normalisiert, gleichzeitig ist aber das Gewicht pro Sendung in den ersten neun Monaten gestiegen - was dem Umsatz hilft. Mit den etablierten Preismechanismen haben wir die insgesamt höheren Kosten erfolgreich abgefedert. Übers Jahr haben wir so eine sehr gute EBIT-Marge von 14,6 Prozent erzielt. Und wir investieren weiter in profitables Wachstum - zum Beispiel in den Bau des neuen DHL Express Standorts am Münchener Flughafen und die Modernisierung unserer Flotte. Im Januar 2022 haben wir acht neue Boeing 777 Frachtflieger bestellt und die Partnerschaft mit Singapore Airlines erweitert. Das verschafft uns besonders nachhaltige Kapazität im wachsenden asiatischen Raum. Apropos nicht-finanzielle Ziele: DHL Express führt erneut die Liste des "Great Place to Work"-Rankings an. Ein toller Erfolg für das Führungsteam.

Wie liefen die Geschäfte für DHL Global Forwarding, Freight?

Frank Appel: Es war erneut ein herausragendes Jahr für die Division. Umsatz und Ergebnis haben einen regelrechten Sprung nach oben gemacht. Das lag vor allem an der außerordentlich starken Performance in den ersten drei Quartalen. Neben operativen Verbesserungen machten sich hier die im Jahresverlauf sehr hohen Frachtraten positiv bemerkbar. Inzwischen ist die Normalisierung der Marktdynamik in vollem Gange, so dass sich das außergewöhnlich hohe Ergebnis aus 2022 nicht als Maßstab für das laufende Jahr eignet. Dennoch sind wir weiterhin gut aufgestellt. Denn die gute Entwicklung im vergangenen Jahr ist nicht allein externen Faktoren geschuldet. Operativ haben wir mit unserem neuen Transport-Management-System ein ganz neues Level erreicht und sind viel effizienter geworden. Das hat einen wichtigen Beitrag zum Ergebniswachstum geleistet. Zudem haben wir mit der reibungslosen Integration des Seefrachtspezialisten Hillebrand das margenstarke Logistik-Kerngeschäft gestärkt und sorgen damit auch langfristig für profitables Wachstum. Ganz im Sinne unserer Aktionäre und unserer Strategie 2025.

Konnte sich DHL Supply Chain den guten Ergebnissen anschließen?

Frank Appel: Die Division hat das stärkste Neugeschäft aller Zeiten verbucht. Zuverlässige Lieferketten waren weiterhin enorm gefragt, dementsprechend positiv entwickelte sich auch das Ergebnis. Die langfristigen Vertragsbeziehungen machen die Division ohnehin besonders resilient. Darauf ruhen wir uns aber nicht aus. Wir haben die Standardisierung unserer Prozesse weitestgehend abgeschlossen. Jetzt können wir mehr und mehr Arbeitsschritte automatisieren und so den Einsatz von kollaborativen Robotern weiter skalieren. Das hilft uns, noch effizienter und attraktiver zu werden. Zudem haben wir im internationalen Geschäft sehr gute Voraussetzungen für weiteres Wachstum geschaffen. Mit der Übernahme der Glen Cameron Group haben wir unsere Präsenz in Australien landesweit gestärkt. In Indien investieren wir 500 Millionen Euro in den Ausbau von Lagerkapazitäten, Personal und nachhaltige Logistiklösungen. Und mit der Mehrheitsbeteiligung am niederländischen Unternehmen Monta beschleunigen wir das internationale E-Commerce-Wachstum. Kurzum: Wir sind in allen Regionen sehr gut aufgestellt.

Konnte DHL eCommerce Solutions weiterhin vom Onlinehandel profitieren und an das Wachstum des Vorjahres anknüpfen?

Frank Appel: Die Division hat das im Vorjahr erreichte neue hohe Umsatzniveau gehalten. Ausgehend von diesem wollen wir zielstrebig wachsen. Dafür haben wir 2022 so viel investiert wie noch nie zuvor, vor allem in West- und Osteuropa. In den Niederlanden wollen wir die CO2-neutrale Zustellung weiter gezielt ausbauen. In Polen haben wir unser Netzwerk mit der Einführung von Packstationen verstärkt und sind dort ein Joint Venture mit Cainiao für den beschleunigten Ausbau von Außer-Haus-Zustellungen eingegangen. In Großbritannien investieren wir mehr als 560 Millionen Euro in das E-Commerce Geschäft. Dazu gehören beispielsweise Fahrzeuge mit alternativen Antrieben und Gebäude mit höchsten Umweltstandards. Damit gehen wir konkret auf die Wünsche unserer Kunden ein. Denn unsere "Online Shopper Survey 2022" hat gerade ergeben, dass sich die Mehrheit der Verbraucherinnen und Verbraucher in Europa mehr Nachhaltigkeit im Online-Handel wünscht. Grüner eCommerce steht also ganz oben auf unserer Agenda.

Welche Entwicklung hat das deutsche Post- und Paketgeschäft vollzogen?

Frank Appel: Der strukturelle Rückgang der Briefmengen hat sich fortgesetzt. Die Paketmengen haben sich wie erwartet normalisiert und konnten erst im zweiten Halbjahr an die Vorjahresmengen anknüpfen. Insgesamt liegen Umsatz und Ergebnis der Division deutlich unter dem Vorjahr. Neben dem Volumenrückgang liegt das vor allem daran, dass wir die inflationsbedingt gestiegenen Kosten nicht an unsere Kunden im Briefgeschäft weitergeben konnten. Zusätzlich zur Inflation beschäftigen uns die notwendigen Investitionen in nachhaltigere Logistiklösungen und ein verbesserter Kundenservice. Wir wollen auch in unserem Heimatmarkt langfristig erfolgreich sein. Dafür müssen wir die Balance zwischen spürbarer Lohnerhöhung und wirtschaftlicher Tragfähigkeit finden. Nur gemeinsam können wir die Weichen für eine erfolgreiche Transformation des Post- und Paketgeschäfts in Deutschland stellen, ohne langfristig Arbeitsplätze zu gefährden. Darüber hinaus braucht es eine zukunftsfähige Novellierung des Postgesetzes.

Das gute Ergebnis aus dem zurückliegenden Geschäftsjahr hat sich auch positiv auf den Cashflow ausgewirkt. Wofür setzen Sie das Geld ein? 

Frank Appel: Im vergangenen Jahr haben wir 4,1 Milliarden Euro in organisches Wachstum unseres Kerngeschäfts investiert - so viel wie noch nie zuvor. Zudem haben wir mit Übernahmen unser Portfolio selektiv gestärkt und dafür 1,5 Milliarden Euro gezahlt. Das alles konnten wir aus Bordmitteln stemmen und unter Berücksichtigung der Akquisitionen noch immer einen Free Cashflow von 3,1 Milliarden Euro erzielen. Entsprechend gut ist es um unsere Finanzlage und Ausschüttungsfähigkeit bestellt. Wir werden 2,2 Milliarden Euro als Dividende ausschütten, sofern unsere Aktionäre auf der kommenden Hauptversammlung zustimmen. Außerdem stocken wir unser bestehendes Aktienrückkaufprogramm um 1,0 Milliarde Euro auf. Das Gesamtvolumen steigt entsprechend auf bis zu 3,0 Milliarden Euro bis Ende 2024.

Nachhaltigkeit bildet einen der Schwerpunkte Ihrer "Strategie 2025". Welche Fortschritte haben Sie im letzten Jahr erzielt und was haben Sie noch vor?

Frank Appel: Wir haben wichtige Meilensteine erreicht: Mit inzwischen über 29.000 Elektrofahrzeugen führen wir die größte E-Nutzfahrzeugflotte der Welt. Zudem haben wir mit bp und Neste eine wegweisende Kooperation zum Einsatz nachhaltiger Flugkraftstoffe abgeschlossen. Darauf basierend können wir unseren Kunden - als weltweit erster Expresskurier - anbieten, nachhaltigen Flugkraftstoff zur Emissionssenkung einzusetzen. Ein wichtiges Zeichen für die gesamte Luftfahrtbranche. Denn die Verwendung nachhaltiger Flugkraftstoffe ist aktuell einer der wichtigsten Hebel, um die CO2-Emissionen mit den aktuell verfügbaren Flugzeugtypen über den gesamten Lebenszyklus zu reduzieren. Auf zwei weitere Errungenschaften sind wir ebenfalls sehr stolz: Die unabhängige Science Based Targets initiative hat bestätigt, dass unsere Klimaziele den aktuellen Stand der Klimawissenschaft widerspiegeln. Und wir konnten in allen Divisionen die Zahl der Frauen in Managementpositionen steigern. Zum ehrlichen Gesamtbild gehört aber auch: Pandemie, Krieg in der Ukraine und Lieferschwierigkeiten erforderten große Aufmerksamkeit - zeitweilig zulasten der Nachhaltigkeit. So haben wir unseren CO2-Ausstoß zwar reduziert und konnten durch Dekarbonisierungsmaßnahmen schon 1 Million Tonnen CO2e einsparen, aber wir wollen und müssen hier noch größere Fortschritte erzielen. Dafür braucht es dringend ein größeres Angebot an nachhaltigen Lösungen. Trotz des herausfordernden makroökonomischen Umfelds halten wir an unseren ambitionierten Zielen fest und treiben die grüne Transformation weiter aktiv voran.