"Alle fünf Divisionen waren trotz Krise profitabel"
Trotz der Herausforderungen durch die Covid-19-Pandemie ist der weltweit führende Logistikkonzern Deutsche Post DHL Group im zweiten Quartal 2020 erneut gewachsen. Der Umsatz stieg im Vergleich zum Vorjahr um 3,1 Prozent auf 16,0 Milliarden Euro. Das operative Ergebnis (EBIT) verbesserte sich um 18,6 Prozent auf 912 Millionen Euro. Damit hat der Konzern die im Juli veröffentlichten vorläufigen Quartalszahlen sogar leicht übertroffen. Im Interview mit DPDHL Group News erklärt Finanzvorstand Melanie Kreis, warum der Konzern bislang so erfolgreich durch die Krise kommt und warum sie für das zweite Halbjahr weitere Ergebnisverbesserungen erwartet.
Frau Kreis, das zurückliegende Quartal war in vielerlei Hinsicht außergewöhnlich. Wie ist es aus Ihrer Sicht für Deutsche Post DHL Group gelaufen?
Melanie Kreis: Das zweite Quartal war sehr herausfordernd - für unsere Mitarbeiter*innen, für unsere Kunden und für unsere operativen Geschäfte. Vor dem Hintergrund haben wir sehr gute Ergebnisse erzielt. Die Pandemie hat die Welt in Atem gehalten. Wir haben alles gegeben, um die Versorgung für die Menschen und den Handel für die Wirtschaft aufrecht zu halten. Für Menschen in Quarantäne waren unsere Zusteller*innen oft die einzige Verbindung zur Außenwelt. Aber nicht nur sie, sondern alle unsere weltweit 550.000 Mitarbeiter*innen haben durch außergewöhnlichen Einsatz dazu beitragen, dass Lieferketten in der Industrie nicht abgerissen sind. Unsere Teams haben dafür gesorgt, dass Lebensmittel, Medikamente und Schutzausrüstung schnell und sicher dorthin gelangt sind, wo sie gebraucht wurden - trotz zeitweise geschlossener Grenzen und unter strengen Pandemie-Schutzmaßnahmen. Die Kollegen*innen haben Außergewöhnliches geleistet. Als Ausdruck unserer Anerkennung zahlen wir unseren Mitarbeitern*innen weltweit eine Sonderprämie in Höhe von 300 Euro1.
Die gemeinsamen Anstrengungen haben sich auch in sehr guten Zahlen niedergeschlagen. Wie bewerten Sie das zweite Quartal?
Melanie Kreis: Wir haben uns bei wichtigen Kennzahlen deutlich verbessert - beim Umsatz und noch stärker beim EBIT und Free Cashflow. Alle fünf Divisionen waren trotz Krise profitabel, vier konnten das Ergebnis sogar gegenüber Vorjahr steigern. Dass sich unsere Geschäfte so positiv entwickeln, ist unter diesen Umständen nicht selbstverständlich, sondern das Ergebnis einer langjährig gewachsenen Unternehmenskultur. Unsere Mitarbeiter*innen sehen den Zweck in ihrer Arbeit: Wir verbinden Menschen und verbessern ihr Leben. Damit haben wir den Boden für entschlossenes Handeln bereitet, auch wenn Unvorhergesehenes geschieht. Gepaart mit unserer breiten Aufstellung von verschiedenen mehr und weniger konjunkturabhängigen Logistikdienstleistungen, die wir rund um den Globus betreiben, ist dies die Basis unserer Resilienz. So kommen wir erfolgreich durch herausfordernde Zeiten.
In der Krise hat sich auch die Zusammenarbeit der Divisionen sehr bewährt...
Melanie Kreis: Das ist ein wesentlicher Schlüssel zu unserem Erfolg: Die Divisionen unterstützen und ergänzen sich. DHL Express hat beispielsweise eine eigene Flotte von mehr als 250 Frachtflugzeugen. Hier gibt es eine langjährig gewachsene, gute Zusammenarbeit mit dem Unternehmensbereich Global Forwarding, Freight, der freie Kapazität nutzen kann und damit gleichzeitig zu einer optimalen Auslastung beiträgt. Die Paketflut in Deutschland wiederum konnten wir auch deshalb so gut bewältigen, weil Mitarbeiter*innen von Freight und Supply Chain zeitweise P&P Deutschland unterstützt haben. Die Krise hat uns aber auch gezeigt: Mit der Strategie 2025 und dem klaren Fokus auf unsere Logistik-Kerngeschäfte haben wir genau die richtigen Schwerpunkte gesetzt. Den bereits forcierten Einsatz digitaler Technologien haben wir im ersten Halbjahr nochmals beschleunigt. Mit dem Upgrade unserer IT-Kapazitäten und -Fähigkeiten haben wir es 100.000 Mitarbeiter*innen quasi über Nacht ermöglicht, aus dem Home Office zu arbeiten und damit bewiesen, wie schnell und flexibel wir uns an veränderte Bedingungen anpassen können.
Wie ist das Quartal für DHL Express ausgefallen?
Melanie Kreis: In Anbetracht der erheblichen Herausforderungen hat sich Express sehr gut entwickelt. Im April waren die Sendungsmengen in unserem Kerngeschäft, den zeitgenauen internationalen Sendungen (TDI), pandemiebedingt noch rückläufig und wir mussten unser Netzwerk an die veränderte Auslastung anpassen. Seit Mitte des zweiten Quartals sehen wir aber wieder ein Wachstum der Sendungsmengen, vor allem in Asien - und dort insbesondere in China, wo die Volumina im Zuge der Wirtschaftserholung deutlich gegenüber Vorjahr gestiegen sind. Wo herkömmliche Transportwege zu langsam oder krisenbedingt zu unsicher waren, konnten wir unseren Kunden schnelle, zuverlässige Alternativen bieten. Hier zahlt sich aus, dass Express über eine eigene, große Flugzeugflotte verfügt. So liegen nach sechs Monaten die kumulierten TDI-Volumina schon wieder leicht über Vorjahr. Das wirkte sich positiv auf die Profitabilität aus: Mit einer EBIT-Marge von 12,5 Prozent hatte Express trotz aller Herausforderungen eines der besten Quartale aller Zeiten.
Wie sieht es bei DHL Global Forwarding, Freight aus?
Melanie Kreis: Im Frachtgeschäft sind die Volumina pandemiebedingt insgesamt rückläufig. Dennoch ist es der Division gelungen, das operative Ergebnis im zweiten Quartal um über 50 Prozent gegenüber dem Vorjahr zu steigern. Treiber des Erfolgs war insbesondere die Luftfracht: Weil viele Passagierflugzeuge am Boden blieben, ist auch ein Großteil der im Markt befindlichen Luftfracht-Kapazitäten verlorengegangen. DHL Global Forwarding gehörte zu den wenigen Anbietern weltweit, die überhaupt noch liefern konnten. Daraus resultierten gute Margen, wie die Zahlen nun zeigen.
Besonders herausfordernd ist die Situation für DHL Supply Chain. Wie bewerten Sie hier die jüngsten Entwicklungen?
Melanie Kreis: Angesichts der enormen Herausforderungen durch die Pandemie hatte Supply Chain ein gutes zweites Quartal. Die Division ist weiter profitabel. Das ist insofern bemerkenswert, als dass die Kontraktlogistik sehr viel stärker als unsere anderen Geschäfte von Aktivitäten einzelner Auftraggeber abhängt. So errichten und betreiben wir oft Warenlager exklusiv für einzelne Kunden - mit maßgeschneiderten Lösungen für ihre Anforderungen. Wenn diese Kunden den Betrieb runterfahren, können wir frei gewordene Ressourcen nicht ohne weiteres für andere Kunden einsetzen. Stabilisierend wirkt der breite Mix der Branchen: Während der Automobilsektor schwächer war, haben sich Teile von Retail sowie der gesamte Life Science & Healthcare-Sektor gut entwickelt. Im zweiten Quartal konnten wir zudem - trotz Krise - zusätzliche Verträge mit Neu- und Bestandskunden in Höhe von mehr als 300 Millionen Euro Umsatz auf Jahresbasis abschließen. Die Basis für eine weiterhin profitable Entwicklung ist also gelegt.
Auch Post & Paket Deutschland sah sich mit gegensätzlichen Volumentrends konfrontiert. Wie stellt sich die Entwicklung in dieser Division dar?
Melanie Kreis: Bei P&P Deutschland hat die Pandemie den seit Jahren anhaltenden Trend beschleunigt: Das Briefaufkommen ging signifikant zurück, vor allem wegen der zeitweise großen Zurückhaltung beim Dialog Marketing, also bei der Werbepost. Gleichzeitig sind die Paketvolumina deutlich gestiegen. Der stationäre Einzelhandel war mehrere Wochen geschlossen. Die Menschen haben online bestellt wie sonst nur vor Weihnachten. Inzwischen normalisiert sich die Lage. Die Volumina bei Post kommen langsam zurück; Paket bleibt anhaltend stark. In Verbindung mit den eingeleiteten Kosten- und Preismaßnahmen konnte P&P Deutschland im zweiten Quartal eine sehr gute Ergebnisverbesserung von fast 50 Prozent verzeichnen.
Wie hat sich die jüngste DHL Division, eCommerce Solutions, entwickelt?
Melanie Kreis: Im internationalen Paketgeschäft haben wir - wie bei P&P Deutschland - vom boomenden Onlinehandel in Folge des Lockdowns profitiert. Vor allem in den Vereinigten Staaten, den Niederlanden, aber auch in Tschechien und Polen zogen die Geschäfte merklich an. Wir konnten dabei nicht nur die Sendungsmengen im B2C Geschäft deutlich steigern, sondern konnten auch beim Kostenmanagement sehr gute Fortschritte erzielen. Insbesondere die Zentralfunktionen sind bereits deutlich effizienter aufgestellt. Entsprechend positiv entwickelten sich Umsatz und Ergebnis. Bereinigt um strukturelle Änderungen wäre das Umsatzplus noch deutlicher ausgefallen.
Mit Blick auf die Finanzkennzahlen fällt der außergewöhnlich starke Free Cashflow auf - um mehr als 1 Milliarde gegenüber Vorjahr gesteigert. Wie war das möglich?
Melanie Kreis: Neben der Sicherheit unserer Mitarbeiter*innen und der Aufrechterhaltung unserer Services für unsere Kunden haben wir seit Beginn der Pandemie ein noch stärkeres Augenmerk auf die Liquidität gelegt. Basis für den starken Mittelzufluss ist vor allem die gute operative Performance aller Unternehmensbereiche. Darüber hinaus haben wir im zweiten Quartal planmäßig weniger Mittel für die Erneuerung der Interkontinentalflotte von DHL Express aufgewendet als im zweiten Quartal des Vorjahres, das den Höhepunkt der 777-Investitionen darstellte. Für das Gesamtjahr rechnen wir mit Investitionen von insgesamt rund 2,9 Milliarden Euro und einem Free Cashflow von rund 1,4 Milliarden Euro. Das heißt, wir werden unverändert in künftiges profitables Wachstum in unseren Kerngeschäften investieren.
Als eines der ersten großen Unternehmen trauen Sie sich wieder eine Jahresprognose zu. Was macht Sie so zuversichtlich?
Melanie Kreis: Die guten Zahlen des zweiten Quartals zeigen: Deutsche Post DHL Group ist in einer sehr guten Verfassung. Mit der Strategie 2025 haben wir genau die richtigen Weichen gestellt. Deshalb haben wir im Juli wieder eine Jahresprognose ausgegeben. Für 2020 erwarten wir ein operatives Ergebnis zwischen 3,5 und 3,8 Milliarden Euro - inklusive Sondereffekte. Für 2022 erwarten wir - abhängig vom Verlauf der gesamtwirtschaftlichen Erholung - ein Konzern-EBIT von rund 4,7 Milliarden Euro bis zu mehr als 5,3 Milliarden Euro. Unabhängig davon, ob eine "V-förmige", "U-förmige" oder "L-förmige" Erholung der Weltwirtschaft eintritt: Wir sind gut vorbereitet und können damit umgehen. Jenseits aller zu erreichenden Kennzahlen gilt aber: Oberste Priorität haben die Sicherheit und Gesundheit unserer Mitarbeiter*innen. Sie machen unser Unternehmen aus und bestimmen über unseren Erfolg.
1 bezogen auf eine Vollzeitkraft