"In der Krise zeigt sich die wahre Stärke von Deutsche Post DHL Group"
Deutsche Post DHL Group hat das Geschäftsjahr 2020 trotz großer Herausforderungen durch die Covid-19-Pandemie mit Rekordzahlen abgeschlossen. Der Konzernumsatz verbesserte sich gegenüber dem Vorjahr um 5,5 Prozent auf 66,8 Milliarden Euro. Das operative Ergebnis (EBIT) stieg um 17,4 Prozent auf über 4,8 Milliarden Euro. Damit hat der Konzern seine unterjährig angepasste Ergebnisprognose von 4,1 bis 4,4 Milliarden Euro für das Geschäftsjahr 2020 deutlich übertroffen. Im Interview mit DPDHL Group News erläutert Vorstandschef Frank Appel, warum Deutsche Post DHL Group so erfolgreich durch die Pandemie steuert und warum er den Konzern auch für zukünftiges profitables Wachstum sehr gut aufgestellt sieht.
Herr Appel, hinter Deutsche Post DHL Group liegt ein Ausnahmejahr. Wie blicken Sie auf 2020 zurück?
Frank Appel: 2020 war ein außerordentlich herausforderndes Jahr, das wir am Ende sehr erfolgreich abschließen konnten. Die Pandemie hat uns täglich vor neue Anforderungen gestellt, die wir mit einem großen Kraftakt über alle Geschäftsbereiche hinweg gemeistert haben: Wir haben Routen und Abläufe angepasst, Ressourcen aufgestockt und immer wieder Lieferketten umdisponiert. So konnten wir globale Handelsströme am Laufen halten, die Lieferketten für die Industrie absichern und auch das enorme Paketvolumen bewältigen, besonders in der Vorweihnachtszeit. Jetzt bringen wir die Covid-19-Impfstoffe zu den Menschen. All das leisten unsere weltweit über 570.000 Mitarbeiter*innen. Ihrem unermüdlichen Einsatz ist es zu verdanken, dass Deutsche Post DHL Group in der Pandemie wichtige Beiträge für die Gesellschaft leistet. Das erfüllt uns mit Stolz und spornt uns zu weiteren Höchstleistungen an.
Auch wirtschaftlich war 2020 ein sehr erfolgreiches Jahr.
Frank Appel: Mit einem operativen Ergebnis von über 4,8 Milliarden Euro hatten wir das beste Jahr der Unternehmensgeschichte. Bereinigt haben wir sogar mehr als 5,4 Milliarden Euro erreicht. Die Zahlen sind Beleg für die Resilienz unseres Geschäftsmodells. Wir haben bewiesen, dass wir auch in einem turbulenten Marktumfeld verlässlich liefern. Wir können agil auf sich verändernde Umstände reagieren und im Zusammenspiel unserer Divisionen auch schwierigste Logistik-Herausforderungen meistern. Unsere Wachstumstreiber sind vollständig intakt und haben sich sogar verstärkt - vor allem der weltweite Boom im E-Commerce. Wir wachsen auch ohne konjunkturellen Rückenwind. In der Krise zeigt sich die wahre Stärke von Deutsche Post DHL Group.
In den letzten Jahren hat sich das Ergebnis der Deutsche Post DHL Group kontinuierlich verbessert. Was sind für Sie die Erfolgsfaktoren für das gute Abschneiden?
Frank Appel: Um diesen Erfolg zu erreichen, haben wir hart gearbeitet und unsere Strategie 2020 konsequent umgesetzt. Wir haben in den vergangenen Jahren viele strategische Entscheidungen getroffen, die sich jetzt auszahlen und es weiter tun werden. Mit der Fokussierung auf unsere profitablen Logistikdienstleistungen haben wir den zunehmenden Welthandel aktiv begleitet. Gleichzeitig haben wir unsere Divisionen erfolgreich für das wachsende E-Commerce Geschäft positioniert. Wir haben die Wettbewerbsfähigkeit aller Divisionen gestärkt und massiv in die Digitalisierung sowie in den Ausbau und die Modernisierung unserer Infrastruktur investiert. All das hat dazu geführt, dass wir Strategie 2020 zu einem Erfolg geführt haben. Unsere Strategie 2025 knüpft daran an und setzt genau die richtigen Schwerpunkte zur Fortsetzung unseres Erfolgskurses.
DHL Express hat erneut ein Rekordjahr verzeichnet - obwohl es anfänglich gar nicht danach aussah...?
Frank Appel: Bei Express haben wir die Auswirkungen der Corona-Pandemie als Erstes bemerkt. Schon Ende Januar 2020 gingen die Volumina von und nach China spürbar zurück, mit Ausbreitung der Pandemie dann auch im Rest der Welt. Im Jahresverlauf kam dann jedoch der starke Anstieg. Weil viele Passagiermaschinen am Boden bleiben mussten, war das Angebot für Luftfracht im Frachtraum der Passagiermaschinen, dem sogenannten "Belly-Space", eingeschränkt. Mit unserer eigenen Flotte von mehr als 260 Frachtmaschinen war DHL Express einer der wenigen Anbieter, der zuverlässig liefern konnte. Gemeinsam mit unseren Airline-Partnern haben wir sichergestellt, dass dringend benötigte Güter ihren Bestimmungsort erreichen. Im Gesamtjahr lagen die TDI-Volumina 8,7 Prozent über Vorjahr. Wir konnten unser einzigartiges Netzwerk optimal auslasten und in dieser Ausnahmesituation die EBIT-Marge sogar auf 14,4 Prozent steigern.
Wie hat die jüngste DHL Division eCommerce Solutions abgeschnitten?
Frank Appel: Besonders im internationalen Paketgeschäft konnten wir vom boomenden Onlinehandel profitieren. Aufgrund des besonders dynamischen Volumenwachstums in mehreren Ländern Europas und den USA war eCommerce Solutions unsere wachstumsstärkste Division. Die Neuausrichtung als eigenständiger Unternehmensbereich zahlt sich aus. Denn neben der starken Umsatzentwicklung sehen wir auch große Effizienzsteigerungen durch Verbesserungen im Kostenmanagement.
Starke Volumenzuwächse haben Sie auch im deutschen Paketgeschäft verzeichnet. Wie ist das Jahr aus Ihrer Sicht für die Division P&P Deutschland gelaufen?
Frank Appel: Corona-bedingt haben wir bei P&P Deutschland zwei gegenläufige Entwicklungen gesehen: Einerseits einen nie dagewesenen Paket-Boom - vor allem im vierten Quartal. Andererseits zeitweise deutlich niedrigere Briefvolumina. In der Summe aber war der Paketeffekt deutlich stärker: Weil der stationäre Handel wegen Corona schließen musste, haben noch mehr Menschen online eingekauft. Die Paketvolumina sind 2020 um 15,3 Prozent auf über 1,6 Milliarden Sendungen1 gestiegen. An Spitzentagen vor dem Weihnachtsfest haben wir 11 Millionen Sendungen pro Tag ausgeliefert. Wir haben 10.000 zusätzliche Mitarbeiter*innen eingestellt, Abendtouren gefahren und kleinere Pakete von unseren Briefzusteller*innen austragen lassen. So ist es uns gelungen, diese enorme Paketflut zu bewältigen und gleichzeitig unsere Profitabilität zu steigern.
DHL Global Forwarding, Freight war stark von der Verknappung der Luftfrachtkapazitäten betroffen - mit welchen Auswirkungen?
Frank Appel: Der plötzliche Wegfall der Frachtkapazitäten im "Belly" hat auch unsere Kolleg*innen bei Global Forwarding, Freight vor große Herausforderungen gestellt. Als weltgrößter Logistiker konnten wir uns allerdings frühzeitig einen Teil der verbleibenden Kapazitäten sichern und zusätzliche Maschinen chartern. Außerdem konnten wir in enger Zusammenarbeit mit DHL Express Fracht flexibel in unseren eigenen Maschinen transportieren. In der Seefracht verhielt es sich ähnlich: Zahlreiche Reedereien hatten zu Beginn des Jahres Schiffe aus dem Markt genommen. Transportkapazitäten waren und sind deshalb weiterhin knapp. Mit unseren multimodalen Lösungen konnten wir unseren Kunden clevere Transportalternativen aus der Kombination von Schiff, Flugzeug, Bahn und Lkw anbieten. Insgesamt konnten wir Umsatz und EBIT, trotz des herausfordernden Marktumfeldes, deutlich steigern.
Wie sieht es bei DHL Supply Chain aus?
Frank Appel: Vor dem Hintergrund des herausfordernden wirtschaftlichen Umfelds hatte Supply Chain ein gutes Jahr, mit anziehender Dynamik im vierten Quartal. Obwohl die Division sehr viel stärker von einzelnen Kundenaktivitäten abhängt als unsere anderen Divisionen, war das Geschäft jederzeit profitabel. Hier zahlen sich unter anderem unsere Investitionen in Standardisierung und Digitalisierung aus: Mit Hilfe von Data Analytics haben wir schnell und zuverlässig auf das veränderte Marktumfeld reagiert. So konnten wir neue Kunden gewinnen und für bestehende Kunden neue Lieferketten aufbauen oder anpassen. Gleichzeitig spielt die Division eine entscheidende Rolle in der Lagerung, Kommissionierung und im Transport der Covid-19-Impfstoffe. Hier zahlen sich unsere strategischen Investitionen in Kühlkapazitäten sowie den Ausbau unserer Life Sciences und Healthcare-Expertise aus.
In Summe also ein wirtschaftlich sehr erfolgreiches Jahr für Deutsche Post DHL Group. Das spiegelt sich auch in einem außergewöhnlich starken Free Cashflow wider. Was machen Sie mit dem hohen Mittelzufluss?
Frank Appel: Nachdem wir im dritten Quartal 2020 allen Mitarbeiter*innen weltweit als Anerkennung für ihren hohen Einsatz in der Pandemie einen Sonderbonus gezahlt haben, sollen nun auch die Anteilseigner an unserem Erfolg teilhaben. Vorstand und Aufsichtsrat haben deshalb beschlossen, der Hauptversammlung am 6. Mai eine Dividende von 1,35 Euro je Aktie vorzuschlagen - nach 1,15 Euro im vorherigen Jahr. Die Zustimmung der Aktionäre vorausgesetzt, dürfte Deutsche Post DHL Group damit auch in diesem Jahr wieder zu den Unternehmen mit der höchsten Dividendenrendite im DAX und im EuroStoxx50 zählen. Ansonsten gilt unsere langfristige Finanzstrategie unverändert: Wir investieren in nachhaltig profitables Wachstum und wollen für unsere Aktionäre eine attraktive Rendite erzielen.
Der Start ins neue Geschäftsjahr ist stark von Corona geprägt. Was erwarten Sie insgesamt für 2021?
Frank Appel: Wir blicken insgesamt zuversichtlich auf das laufende Geschäftsjahr und erwarten ein EBIT von über 5,6 Milliarden Euro. Im Wesentlichen sehen wir dafür zwei Gründe. Erstens wird der E-Commerce-Boom anhalten. Durch Covid-19 ist der Onlinehandel in wenigen Monaten so stark gewachsen wie sonst über Jahre. Die Wachstumsraten werden sich mit der Zeit zwar normalisieren, allerdings ausgehend vom nun erreichten, höheren Niveau. Zweitens erwarten wir eine Erholung des Welthandels und der Geschäftskundenaktivitäten. Gleichzeitig wird die Verknappung der Frachtkapazitäten noch eine Weile anhalten. Der internationale Passagierverkehr wird sich nach aktuellen Prognosen nur langsam normalisieren - mit entsprechender Wirkung auf die Preise. Mit unserer eigenen Flugzeugflotte haben wir einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil, den wir nutzen und ausbauen werden. Auch deshalb haben wir gerade acht zusätzliche fabrikneue Boeing 777-Frachtflugzeuge bestellt.
Trotz der zahlreichen neuen Herausforderungen in 2020 haben Sie auch die Nachhaltigkeit nicht aus dem Blick verloren...
Frank Appel: Ganz im Gegenteil haben wir uns im zurückliegenden Jahr im Rahmen der strategischen Weiterentwicklung des Konzerns zu einer ganzheitlichen Definition von Nachhaltigkeit sowie zu einer konkreten ESG Roadmap verpflichtet. Die wichtigsten Herausforderungen unserer Zeit dürfen niemals in den Hintergrund treten, sondern müssen die Leitplanken für unser unternehmerisches Handeln bilden. Wir wollen mit unserem globalen Netzwerk und unseren Fähigkeiten zu einer besseren Welt für uns alle beitragen. Das ist der Kern unseres Nachhaltigkeitsverständnisses. Am 22. März 2021 werden wir ein Update der Maßnahmen bekannt geben, mit denen wir als Unternehmen gezielt einen Beitrag zur Bewältigung der langfristigen Herausforderungen in den Dimensionen Umwelt, Soziales und Governance leisten wollen.
1 Ohne internationale Sendungen (Umstellung der Berichterstattung auf neue Berichtsstruktur sowie Umgliederungen).