"Wir profitieren weiter von unserer hohen Flexibilität"
Deutsche Post DHL Group hat auch im dritten Quartal 2022 ihren profitablen Wachstumskurs fortgesetzt. Der Konzern steigerte den Umsatz gegenüber dem Vorjahresquartal um 20,0 Prozent auf 24,0 Milliarden Euro. Das operative Ergebnis (EBIT) legte auf 2,0 Milliarden Euro zu. Im Interview mit DPDHL Group News erläutert Finanzvorstand Melanie Kreis, warum Deutsche Post DHL Group ein Rekordergebnis in 2022 erwartet und wie der Konzern auf eine nachlassende weltwirtschaftliche Dynamik reagiert.
Frau Kreis, wie bewerten Sie das Ergebnis von Deutsche Post DHL Group im dritten Quartal?
Melanie Kreis: Wir konnten unsere Stärken erneut ausspielen, spüren aber eine weltweit nachlassende Wachstumsdynamik. Dank proaktiver Netzwerkanpassung auf Basis unserer flexiblen Strukturen und intensiver Zusammenarbeit zwischen den Divisionen konnten wir unsere weltumspannenden Netzwerke effizient auslasten. In diesem Umfeld konnten Global Forwarding, Freight, Supply Chain und Express sowohl Umsatz als auch EBIT weiter steigern und waren somit maßgeblich für die positive Geschäftsentwicklung. Nach einer Phase der Normalisierung zog der Onlinehandel in einigen Ländern wieder an. Entsprechend verzeichneten die Sendungsmengen im Paket-Geschäft in Europa und speziell in Deutschland wieder leichtes Wachstum. Die steigenden Energie- und Gaspreise haben unsere Profitabilität aufgrund etablierter Preismechanismen im zurückliegenden Quartal in den DHL Divisionen erneut kaum berührt, waren aber bei Post & Paket Deutschland spürbar. Insgesamt haben wir erneut ein hervorragendes Ergebnis erzielt. Wir konnten den Umsatz um 20 Prozent steigern, das EBIT um mehr als 15 Prozent. Kurz: Unsere Strategie 2025 mit Fokus auf E-Commerce, Digitalisierung, Globalisierung und Nachhaltigkeit bewährt sich weiter.
Wie haben Sie es trotz der Schwankungen am Markt geschafft, die Netzwerke effizient auszulasten?
Melanie Kreis: In den letzten zwei Jahren hat unser Ergebnis einen großen Sprung nach vorn gemacht, aber auch wir sind gegen einen stärkeren weltwirtschaftlichen Gegenwind nicht immun. Flexibilität ist der entscheidende Faktor. Das gilt ganz besonders in Zeiten einer konjunkturellen Zurückhaltung. Zwei Punkte zeichnen uns in diesem Umfeld besonders aus: Erstens unser breites und nach Dienstleistungen, Branchen und Regionen gleichermaßen ausbalanciertes Portfolio. Entsprechend besteht keine übergroße Abhängigkeit von sektorspezifischen oder regionalen Entwicklungen. Das schafft Resilienz. Und zweitens die große Anpassungsfähigkeit unserer Netzwerke. Wir können zum Beispiel bei Express nicht nur auf die eigene Flugzeugflotte zugreifen, sondern skalieren diese flexibel kurz- und mittelfristig mit zusätzlichen geleasten Flugkapazitäten. So können wir schnell und effizient auch auf einen kurzfristig schwankenden Bedarf reagieren. Basierend auf unserer langjährigen Erfahrung und Kundennähe sind unsere Prognosen für das zurückliegende Quartal weitestgehend eingetreten. So waren wir gut vorbereitet. Mit Blick auf die volatile wirtschaftliche Entwicklung wird die Kapazitätsplanung aber sicherlich nicht einfacher werden.
Sie haben die Ergebnisprognose für das laufende Jahr angehoben. Worauf basiert diese Einschätzung und wie wird sich die weltwirtschaftliche Lage über 2022 hinaus auf das Geschäft des Konzerns auswirken?
Melanie Kreis: Unsere Ergebnisentwicklung war in den ersten neun Monaten - getrieben von den internationalen DHL Geschäften - positiv, deshalb haben wir die EBIT-Prognose für das Gesamtjahr auf ein neues Rekordniveau von rund 8,4 Milliarden Euro angehoben. Wir haben bewiesen, dass unser Geschäftsmodell auch in volatilen Zeiten resilient ist. So haben wir mit Supply Chain zum Beispiel eine Division, die sich durch langfristige Vertragsbeziehungen auszeichnet und weniger volumengetrieben ist. Das gibt uns Stabilität auch in einem schwächeren Marktumfeld. In den B2C-Geschäften haben wir im dritten Quartal gesehen, dass die E-Commerce Normalisierung auf einem strukturell höheren Niveau nahezu abgeschlossen ist. Im internationalen Frachtverkehr hat die Normalisierung der Frachtraten begonnen. Containerstaus sind im Vergleich zum Jahresbeginn deutlich geringer geworden. Entsprechend kommt wieder mehr Kapazität auf den Markt und die Termintreue steigt. Diese Entwicklung wird sich in den kommenden Quartalen stärker fortsetzen und zu einem weniger dynamischen Wachstum führen.
Wir beobachten die nachlassende globale Wachstumsdynamik aufmerksam und nutzen geeignete und bewährte Steuerungsinstrumente. Wir behalten unsere Kosten im Blick und achten auf ein diszipliniertes Ertrags- und Cash-Management. Mit diesen Hebeln können wir erfolgreich auf einen makroökonomischen Abschwung reagieren.
Dank der sehr guten Geschäftsentwicklung nimmt der Konzern deutlich mehr Geld ein, als er ausgibt. Allein im dritten Quartal betrug der Free Cashflow 1,8 Milliarden Euro. Wofür nutzen Sie die finanzielle Stärke des Konzerns?
Melanie Kreis: Wir haben unsere Finanzkraft im dritten Quartal weiter gestärkt und haben den Ausblick für den Free Cashflow in 2022 angehoben. Diese Mittel nutzen wir im Rahmen unserer Strategie 2025, um weiter in profitables Wachstum zu investieren. Die Ereignisse der vergangenen zwei Jahre haben deutlich gemacht, wie wichtig robuste Lieferketten und eine funktionierende Logistik sind. Kunden erkennen in der Logistik zunehmend einen Werttreiber und diversifizieren ihre Lieferketten mittels Multisourcing und Multishoring. Südost- und Südasien stehen als neue Pole des Handelswachstums besonders im Fokus. Unternehmen siedeln hier immer mehr Produktion an. Das erhöht die Komplexität und erfordert Logistik Know-how. Deshalb investieren wir dort gezielt. Außerdem stärken wir unsere Positionierung als Partner für Onlineshops. Mit der Mehrheitsbeteiligung am niederländischen E-Commerce-Spezialisten Monta etwa wollen wir kleine und mittelgroße Online-Shops im Bereich E-Fulfillment unterstützen. Unverändert steht neben Investitionen in Personal und Nachhaltigkeit die stärkere Automatisierung im Fokus, um unsere Effizienz und Servicequalität weiter zu verbessern.
Lassen Sie uns nun einen Blick auf die Divisionen werfen: Wie beurteilen Sie die Ergebnisentwicklung von DHL Express?
Melanie Kreis: Express hatte erneut ein sehr gutes Quartal, trotz eines nicht leichten Umfelds, in dem beispielsweise Währungseffekte einen deutlichen Gegenwind für das Ergebnis bedeuteten. Die Volumina im B2B- und B2C-Geschäft sind weniger stark gesunken als noch im 1. Halbjahr. Gleichzeitig stieg das Gewicht der Sendungen noch leicht, was unserem Umsatz hilft. Unsere einzigartigen internationalen Netzwerke waren weiterhin gut ausgelastet, daher hat Express auch wieder ein sehr gutes EBIT von mehr als 1 Milliarde Euro erzielt. Für das Schlussquartal erwarten wir im B2C-Geschäft einen typischen saisonalen Verlauf mit einem Anstieg der Sendungsmengen. Dank der großen Erfahrung des Express-Teams werden wir auch zukünftig unsere Netzwerke effizient auf veränderte Marktbedingungen ausrichten können. Das wird uns in den kommenden herausfordernden Quartalen helfen.
Das Frachtgeschäft hat erneut starke Wachstumsraten erzielt. Welche Faktoren waren für die Entwicklung von DHL Global Forwarding, Freight ausschlaggebend?
Melanie Kreis: Die Division hatte erneut ein starkes Quartal - der Umsatz lag fast 40 Prozent über Vorjahr, das EBIT sogar 57 Prozent. In einer Zeit, in der internationale Transporte nicht immer leicht zu bewältigen sind, waren die Frachtraten weiterhin hoch. Global Forwarding, Freight war deshalb erneut die umsatzstärkste Division. Die erwartete Entspannung an den internationalen Frachtmärkten hat jedoch im dritten Quartal begonnen. Die Kapazitäten am Markt erhöhten sich bei einer gleichzeitig sinkenden Nachfrage. Die Ergebnisentwicklung von Global Forwarding, Freight im laufenden Jahr ist herausragend, eignet sich allerdings nicht als Maßstab für das kommende Jahr, denn die dynamische Marktentwicklung der zurückliegenden Quartale wird sich weiter normalisieren. Doch auch bei einer etwas schwächeren Wachstumsprognose der Frachtvolumina sind wir in der Lage, ein attraktives Umsatz- und Ergebnisniveau zu erreichen. Die Voraussetzungen dafür haben wir mit internen Verbesserungen, wie dem Rollout der neuen Transportmanagement Software, geschaffen.
Wie lief das zurückliegende Quartal für DHL Supply Chain?
Melanie Kreis: Der Geschäftsbereich ist in allen Regionen gewachsen. Besonders in Nordamerika hat sich der positive Trend fortgesetzt. Zudem hatten wir gute Zuwächse in den Sektoren Auto-mobility, Life-Sciences- and Healthcare und Consumer. Das im letzten Jahr gewonnene Neugeschäft ist reibungslos angelaufen und hat sich genauso wie Vertragsverlängerungen positiv ausgewirkt. Ebenfalls haben E-Fulfillment und Omni-Channel-basierte Lösungen zum Wachstum beigetragen. Auch die Akquisition der australischen Glen Cameron Group mit ihren Transport- und Frachtlösungen trägt Früchte. Dank der guten Entwicklung hat Supply Chain seinen Umsatz um 14,5 Prozent gesteigert. Die Weichen für weiteres Wachstum sind bereits gestellt. Zum Beispiel investieren wir bis 2025 rund 500 Millionen Euro in Lagerflächen und Personal in Indien.
Wie ist die Lage bei DHL eCommerce Solutions?
Melanie Kreis: Erfreulicherweise haben wir nach dem sprunghaften Wachstum während der Pandemie im laufenden Jahr keinen Umsatzrückgang gesehen. Der Umsatz lag im dritten Quartal mit 1,5 Milliarden Euro moderat über Vorjahresniveau. Dabei ist der Onlinehandel in einzelnen Ländern sogar wieder gewachsen. Zum Beispiel in den Niederlanden. Dort gewinnen wir Marktanteile und bauen unsere Netzwerke weiter aus. In Dordrecht, gut zwanzig Kilometer südlich von Rotterdam, haben wir gerade das vierte große Paketzentrum eröffnet. Damit schaffen wir effiziente Strukturen und rüsten uns für höhere Sendungsmengen wie etwa im bevorstehenden Weihnachtsgeschäft. Insgesamt bereiten wir uns auf einen saisonalen Anstieg der Paketvolumina vor.
Wie hat sich Post & Paket Deutschland behauptet?
Melanie Kreis: Die Division erreichte in einem herausfordernden Umfeld nahezu das Ergebnis- und Umsatzniveau des Vorjahres. Im dritten Quartal ist das Paketgeschäft zwar wieder gewachsen, gleichzeitig ist das Briefgeschäft jedoch unter dem Vorjahr geblieben. In einzelnen Regionen hatten wir einen außergewöhnlich hohen Krankenstand, bei einer gleichzeitig angespannten Lage am Arbeitsmarkt. Das hat sich auch auf die Servicequalität im Briefgeschäft ausgewirkt. Auch wenn Stiftung Warentest uns im Paketgeschäft wettbewerbsübergreifend den besten Service attestiert, liegt unser Fokus nun darauf, die Qualität wieder zu erhöhen und Rekrutierungsmaßnahmen insbesondere für die Bereiche Zustellung, Sortierung und Verladung nochmals zu verstärken. Das erfordert Investitionen in Infrastruktur, Personal und Prozesse. Entsprechend werden sich diese auch auf unsere Kostenbasis im vierten Quartal 2022 auswirken.
Die Umsetzung der ESG-Roadmap ist eine tragende Säule der Strategie 2025. Wie kommt Deutsche Post DHL auf diesem Weg voran?
Melanie Kreis: Umweltkatastrophen wie Dürre, Waldbrände oder auch Fluten haben uns diesen Sommer erneut gezeigt: Die Zeit zu handeln ist jetzt. Deshalb freuen wir uns besonders, dass wir im vergangenen Quartal weitere Meilensteine unserer ESG-Roadmap erreichen konnten. Nachhaltige Luftfahrt ist für uns der zentrale Hebel. Wir planen das Flottennetz von DHL Express um zwölf E-Cargo-Flugzeuge des Typs "Alice" von Eviation Aircraft zu ergänzen. Ende September hat Alice seinen Erstflug absolviert und eindrucksvoll unter Beweis gestellt, dass emissionsfreies Fliegen zukünftig möglich wird. Kurz- und mittelfristig liegt unser Fokus jedoch unverändert auf nachhaltigen Flug-Kraftstoffen. Allerdings verhindert die Knappheit dieser Treibstoffe einen schnelleren Wandel. Hier müssen die politischen Entscheidungsträger mehr Anreize schaffen. Aber wir setzen nicht nur auf Nachhaltigkeit in der Luft, sondern auch auf dem Wasser. Deshalb haben wir uns in einer Kooperation rund 60 Millionen Liter nachhaltigen Schiffskraftstoff gesichert. Damit reduzieren wir den CO2-Ausstoß bis 2024 um knapp 200.000 Tonnen.
Im Bereich Soziales bin ich besonders stolz, dass DHL Express zum zweiten Mal in Folge zum weltweit besten Arbeitgeber gekürt worden ist. Um sicherzustellen, dass wir auch weiterhin mit unserer Nachhaltigkeitsstrategie neue Maßstäbe im Logistiksektor setzen, haben wir unseren Nachhaltigkeitsbeirat im Oktober neu aufgesetzt. Damit unterstreichen wir einmal mehr unseren Anspruch, als Arbeitgeber, Dienstleister und Investment die erste Wahl zu sein.