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"Wir haben eine neue Flughöhe erreicht."

Deutsche Post DHL Group hat das Jahr 2021 mit einer neuen Bestmarke abgeschlossen. Der Umsatz verbesserte sich im Vergleich zum Vorjahr um 22,5 Prozent auf 81,7 Milliarden Euro. Das operative Ergebnis (EBIT) lag mit 8,0 Milliarden Euro sogar 65 Prozent über Vorjahr. 2021 war damit das erfolgreichste Jahr der Unternehmensgeschichte. Im Interview mit DPDHL Group News spricht Vorstandschef Frank Appel über den Krieg in der Ukraine, die Entwicklungen im vergangenen Jahr und warum der Konzern auch für das neue Geschäftsjahr gut aufgestellt ist.

Herr Appel, bevor wir auf das vergangene Jahr zurückblicken, lassen Sie uns zuerst über die aktuelle Lage in Europa sprechen, die uns alle sehr beschäftigt.

Frank Appel: Der Krieg in der Ukraine zeigt auf dramatische Art und Weise, dass Frieden in Europa und der Welt keine Selbstverständlichkeit ist. Wir verurteilen den Angriff auf die Ukraine aufs Schärfste. Wir tun alles, was in unserer Macht steht, um die Sicherheit unserer Beschäftigten sowie ihrer Familien zu gewährleisten.

Wie kann Ihre Organisation unterstützen, um dringend benötigte humanitäre Hilfe in Osteuropa zu ermöglichen?

Frank Appel: Unsere Unternehmenskultur wird durch die länderübergreifende Zusammenarbeit unserer Beschäftigten geprägt. Diesen Zusammenhalt setzen wir ein, um mit unseren konzerneigenen Programmen Hilfsangebote für die Menschen in Osteuropa bereitzustellen. In enger Kooperation mit der UN arbeiten wir geschlossen daran, die humanitäre Versorgung der durch den Krieg betroffenen Menschen mit unserem logistischen Know-how zu unterstützen. Unsere Gedanken und unser tiefes Mitgefühl sind bei den Menschen, die von ihren Familien getrennt wurden, Angehörige verloren haben, auf der Flucht sind und ihr Leben nicht mehr in Frieden leben können.

Auch wenn es schwerfällt zum Tagesgeschäft überzugehen: Deutsche Post DHL Group hat heute die Zahlen für das vergangene Geschäftsjahr vorgelegt. Wie bewerten Sie 2021?

Frank Appel: 2021 war ein außergewöhnliches Jahr. Die Pandemie hat das öffentliche Leben immer noch stark geprägt und damit auch unser Geschäft beeinflusst. Der Online-Handel ist weiter gewachsen, der Welthandel hat sich sehr dynamisch erholt. Wir haben profitabel neue Rekordmengen an Frachtgütern, Expresssendungen und Paketen transportiert und konnten so effizient wie nie zuvor arbeiten. Gleichzeitig haben wir auch im zweiten Corona-Jahr mit unserer Impfstofflogistik zur Bewältigung der Pandemie beigetragen. Schon nach den ersten neun Monaten hatten wir das operative Ergebnis aus dem Vorjahr übertroffen. Im vierten Quartal 2021 hatten wir zudem das beste Weihnachtsgeschäft aller Zeiten. Unsere Erfolgstreiber sind intakt. Statt der noch im März 2021 fürs Gesamtjahr avisierten 5,6 Milliarden Euro haben wir nun ein herausragendes EBIT von 8,0 Milliarden Euro erzielt. Unsere Beschäftigten haben Großartiges geleistet - für die Gesellschaft und den Konzern.

Wie geht es nun weiter? Mit welcher Entwicklung rechnen Sie kurz- bis mittelfristig - auch vor dem Hintergrund des Kriegs in der Ukraine?

Frank Appel: Wir sind optimistisch, dass Welt- und Onlinehandel auch im kommenden Geschäftsjahr weiter wachsen werden - aber nicht mehr so stark wie im Vorjahr. Gerade im Onlinehandel rechnen wir damit, dass die Sendungsmengen, ausgehend von dem insgesamt höheren Niveau, nach einer Normalisierungsphase weiter zulegen werden. Die Dynamik des Welthandels war im vergangenen Jahr außergewöhnlich stark, auch hier wird eine Normalisierung einsetzen. Mit unserem Fokus auf das profitable Logistik-Kerngeschäft, neue digitale Lösungen und E-Commerce sind wir dafür bestens aufgestellt. Der Ausblick bleibt auch ausgehend von der erreichten neuen Flughöhe positiv. Für 2022 erwarten wir ein EBIT von 8,0 Milliarden Euro mit einer Abweichung von maximal + / - 5 Prozent. Bis 2024 gehen wir von einem Ergebniswachstum auf rund 8,5 Milliarden Euro aus. Die Auswirkungen des Konflikts in Osteuropa auf das globale Wirtschaftswachstum und die weltweiten Transportmärkte sind derzeit schwer abzuschätzen. Entsprechend intensiv beobachten wir die Entwicklungen und mögliche daraus entstehende Geschäftsrisiken.

Lassen Sie uns einen Blick auf die Geschäftsbereiche werfen. Wo steht DHL Express?

Frank Appel: DHL Express hat seine Erfolgsgeschichte fortgeschrieben. Die Division konnte im Laufe des Jahres deutliche Gewinne erzielen und ein hervorragendes Schlussquartal verzeichnen. Bereits seit Jahren ist Express Garant für steigende Ergebnisbeiträge, hohe Margen und starken Cashflow. 2021 war die zeitgenaue Zustellung von Gütern (TDI) wichtiger als je zuvor. Luftfrachtkapazitäten waren immer noch knapp. Pandemiebedingt lag die Kapazität an Passagierfliegern immer noch deutlich unter dem Vorkrisenniveau. Der zusätzliche Frachtraum fehlte. Mit unserer eigenen Flugzeugflotte haben wir unsere Kunden verlässlich unterstützt und besonders im ersten Halbjahr einen Anstieg der Nachfrage verzeichnet. Im zweiten Halbjahr ist das durchschnittliche Gewicht pro Sendung merklich gestiegen. Unser einzigartiges weltumspannendes Netzwerk war permanent im Einsatz und hat sehr effizient gearbeitet. DHL Express hat mit 17,4 Prozent eine neue Rekord-EBIT-Marge erreicht.

Inwiefern konnte DHL eCommerce Solutions vom steigenden Onlinehandel profitieren?

Frank Appel: In der Pandemie haben Online-Shops ihren Umsatz rasant gesteigert. Viele Unternehmen sind zum ersten Mal in den Online-Handel eingestiegen. Genauso haben viele Konsumenten den Weg zu digitalen Angeboten gefunden oder ihre Nutzung intensiviert. Als Logistikexperten konnten wir unseren Kunden helfen, mit dieser Entwicklung Schritt zu halten und bestmöglich davon zu profitieren. eCommerce Solutions ist hier hervorragend positioniert und verzeichnete stark steigende Sendungsvolumina. In nahezu allen Regionen sind die Volumina prozentual zweistellig gewachsen - in den Niederlanden und im indischen Inlandsgeschäft sogar jeweils um mehr als 30 Prozent. Gleichzeitig sind die Sendungsmengen im grenzüberschreitenden Transport in Europa stark gestiegen. Die Division konnte ihre Netzwerke deutlich effizienter auslasten. In Summe haben sich EBIT und EBIT-Marge mehr als verdoppelt. Damit haben sich auch unsere Investitionen, zum Beispiel in Digital Touchpoints und CityHubs in den Niederlanden oder Automatisierungsprojekte in den USA bezahlt gemacht. Ken Allen, der am 31. Juli 2022 in den Ruhestand eintreten wird, hat den Unternehmensbereich profitabel aufgestellt und übergibt ein attraktives Geschäftsfeld an seinen Nachfolger.

Wer wird der Nachfolger von Ken Allen? 

Frank Appel: Pablo Ciano, derzeit Head of Corporate Development, wird zukünftig die Funktion als Vorstandsmitglied für DHL eCommerce Solutions antreten. Pablo Ciano übernimmt sein Mandat am 1. August 2022. Mit seiner Ernennung wird die entscheidende Rolle gewürdigt, die er bei der Entwicklung unserer Strategie 2025 gespielt hat. Ferner leistete er einen wesentlichen Beitrag zur Gestaltung unserer ESG-Roadmap und blickt auf erfolgreiche 17 Jahre innerhalb der Deutsche Post DHL Group zurück, von denen er zwei Jahre als CEO für DHL Express in Lateinamerika tätig war. Wir sind überzeugt, dass Pablo Ciano die richtige Führungspersönlichkeit ist, um bei DHL eCommerce Solutions das nächste Kapitel der Erfolgsgeschichte zu schreiben. Mit seiner internationalen Erfahrung und seinem fundierten Wissen über die Digitalisierung in der Logistik wird er das Geschäft wesentlich weiterentwickeln können.

Die besondere Marktlage hat auch das Geschäft von DHL Global Forwarding, Freight beeinflusst, richtig?

Frank Appel: Das Frachtgeschäft hat sich überaus positiv entwickelt. Das EBIT konnten wir auf 1,3 Milliarden Euro mehr als verdoppeln - trotz anhaltender Herausforderungen an den internationalen Transportmärkten. Die Nachfrage war deutlich höher als im Vorjahr, der Wettbewerb um Transportkapazitäten weiterhin hart. Als Marktführer konnten wir unseren Kunden den benötigten Transportraum zur Verfügung stellen. Die Volumina von Luft-, See-, und Straßenfracht sind deutlich gewachsen. In allen Transportmodi haben wir das Vor-Corona-Niveau wieder übertroffen. Dazu beigetragen hat auch unsere Online-Buchungsplattform myDHLi, mit der wir unseren Kunden schnell und transparent einen digitalen Zugang zu Transportlösungen ermöglichen. Global Forwarding, Freight hat den Umsatz im Jahresverlauf jedes Quartal gesteigert. Das Jahr haben wir in Summe mit einem Umsatzplus von 44 Prozent über Vorjahr abgeschlossen.

Welche Entwicklung hat DHL Supply Chain vollzogen?

Frank Appel: Der Geschäftsbereich Supply Chain blickt auf ein starkes Jahr zurück. Das Neugeschäft hat sich hervorragend entwickelt. Die Nachfrage nach Kontraktlogistik-Lösungen bleibt hoch. Speziell in den Bereichen E-Commerce und Life Sciences ist die Expertise unserer Beschäftigten stark gefragt. Wir investieren weiter in unsere Infrastruktur, zum Beispiel in den Aufbau neuer E-Fulfillment-Standorte, die kleinen und mittleren Unternehmen einfachen Zugang zu den Leistungen von DHL Supply Chain bieten - oder auch in die Automatisierung der Transportprozesse und den Einsatz von robotergestützten Palettenfahrzeuge im Warenlager. Das alles hilft uns, nicht nur digitaler und moderner zu arbeiten, sondern auch effizienter. 2021 hat Supply Chain die EBIT-Marge wieder auf über 5 Prozent steigern können.

Und wie ist aus Ihrer Sicht das deutsche Post- und Paketgeschäft gelaufen?

Frank Appel: Die Pandemie hat den strukturellen Wandel im postalischen Sektor verstärkt. Dieser Herausforderung sind wir jedoch erfolgreich begegnet. Denn auch Post & Paket Deutschland hat Ergebnis und Umsatz 2021 erneut gesteigert. Die Division hat eine Rekordmenge von über 1,8 Milliarden Paketen transportiert. Die Paketmengen sind damit um 12,6 Prozent gewachsen, während die Volumina im Briefgeschäft nur leicht zurückgingen. Die Entwicklung im Brief-Bereich muss jedoch etwas differenzierter betrachtet werden. Während die Sendungsmengen in der Briefkommunikation insgesamt weiter dem rückläufigen Trend folgten, zog das Geschäft mit Werbemailings wieder merklich an. Im Verlauf des Jahres 2022 erwarten wir wieder eine Rückkehr zu normalen Veränderungsraten. Natürlich investieren wir weiter in die Zukunftsfähigkeit der Division und in digitale Lösungen. Über die Post & DHL App können Kunden nun neben dem Status von Paketen auch Briefe verfolgen. Diese stellen wir bereits in rund 50 Prozent aller Zustellbezirke CO2-neutral zu. Mit der bei weitem größten Flotte an Elektrotransportern, elektrischen Lasten- und Fahrrädern sorgen wir für die klimafreundlichste Brief- und Paketzustellung der Branche. Das sind nur ein paar Beispiele, wie sich die Division fit für die Zukunft macht.

Dank des hervorragenden Geschäftsjahres ist auch der Cashflow erneut deutlich gestiegen. Was haben Sie mit dem Geld vor?

Frank Appel: Wir werden weiter investieren, konkret: in den Ausbau und die Modernisierung unserer Infrastruktur. Ganz besonders auch in unsere Flugzeugflotte: Wir erwarten, dass vier neue B777F und sieben B737-800 ihren Dienst in 2022 aufnehmen. Zusätzlich haben wir jüngst einen Vertrag über zusätzliche sechs B777F abgeschlossen. DHL Express hat ein umfangreiches Infrastrukturprogramm gestartet, mit dem die Division ihre Produktionsstätten in Deutschland - darunter Dortmund, München, Bielefeld und Berlin - modernisiert, aber auch erweitert. Auch die Automatisierung unserer Warenlager steht weiter hoch im Kurs, genauso wie Investitionen in die CO2-neutrale Zustellung. In 2022 wollen wir insgesamt eine Rekordsumme von rund 4,2 Milliarden Euro investieren. Unsere Strategie zur Ausschüttung gilt weiterhin: Mit einer Ausschüttungsquote von 43 Prozent unseres Nettogewinns als Dividende bewegen wir uns im Zielkorridor von 40 bis 60 Prozent. In Summe wären das 2,2 Milliarden Euro, sofern unsere Aktionäre auf der kommenden Hauptversammlung zustimmen. Darüber hinaus haben wir ein weiteres Aktienrückkaufprogramm in Höhe von bis zu 2 Milliarden Euro beschlossen.

Sie sprechen das Thema Investitionen an: Welche Rolle spielt das Thema Nachhaltigkeit bei diesen Plänen? 

Frank Appel: Nachhaltigkeit spielt eine fundamentale Rolle für uns. Im Rahmen unserer ESG-Roadmap werden wir bis 2030 sieben Milliarden Euro in klimaneutrale Logistik investieren. Es gibt viele große und kleine Stellschrauben: Ein höherer Anteil alternativer Flugzeug-Kraftstoffe, noch mehr Elektrofahrzeuge in der Zustellung, die Nutzung klimaneutraler Gebäude und ein höherer Anteil von Paketen, die wir auf der Schiene statt der Straße transportieren werden. Emissionen sind aber nur ein Baustein. Ab 2022 werden auch nicht-finanzielle Kennzahlen in die Berechnung der Vorstandsvergütung einfließen. Wir sind überzeugt: Indem wir unsere ESG-Ziele noch stärker in den Fokus rücken, bleiben wir erste Wahl für Kunden, Mitarbeiter und Investoren - und schaffen damit die Grundlagen für langfristigen wirtschaftlichen Erfolg.