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"Gute Performance in schwachem Marktumfeld"

Der weltweit führende Logistikkonzern DHL Group hat sich im zweiten Quartal gut behauptet: In einem anhaltend herausfordernden Umfeld erzielte der Konzern einen Umsatz von 20,1 Milliarden Euro und ein operatives Ergebnis (EBIT) von 1,7 Milliarden Euro. Im Interview gibt Finanzvorstand Melanie Kreis Einblicke in die aktuelle Geschäftsentwicklung und eine Einschätzung für die zweite Jahreshälfte.

Finanzvorstand Melanie Kreis

Frau Kreis, wie schätzen Sie das zweite Quartal der DHL Group ein?

Melanie Kreis: Im zweiten Quartal haben wir erneut unsere Leistungsfähigkeit bewiesen. Umsatz und operatives Ergebnis sind auf einem deutlich höheren Niveau als in den Vor-Corona-Jahren und wir konnten die robuste Entwicklung aus dem ersten Quartal fortsetzen. Das Umfeld, in dem wir als Konzern agieren, ist heute herausfordernder als noch vor einem Jahr: Wir sind mit einer fortschreitenden Normalisierung von Frachtraten sowie einer schwächeren Marktdynamik konfrontiert. Darauf haben wir uns rechtzeitig vorbereitet und gezielte Maßnahmen ergriffen, wobei uns die grosse Erfahrung und Umsetzungsstärke unserer Teams in allen Divisionen hilft. Das Augenmerk lag hier auf Anpassungen unseres Netzwerkes und effektivem Kosten- und Ertragsmanagement. Es ist uns dadurch gut gelungen, uns schnell an das schwächere Marktumfeld anzupassen und weiter effizient zu arbeiten. Das zeigt die nach wie vor attraktive EBIT-Marge von 8,4 Prozent. Unser über Regionen und Geschäftsmodelle ausbalanciertes Portfolio ist und bleibt eine Stärke. 

Welche Erwartungen haben Sie an die Entwicklung in der zweiten Jahreshälfte?

Melanie Kreis: Wir haben uns im ersten Halbjahr in einem schwachen Marktumfeld sehr gut behauptet und konnten daher das untere Ende unserer Gesamtjahresprognose anheben. Wir arbeiten weiterhin mit drei Szenarien und erwarten im schlechtesten Fall - bei ausbleibender Erholung der Weltwirtschaft in der zweiten Jahreshälfte - nun ein EBIT von 6,2 Milliarden Euro. Zuvor waren wir von 6,0 Milliarden Euro ausgegangen. Im besten Fall erreichen wir ein Konzernergebnis von 7,0 Milliarden Euro, sollte sich die Konjunktur noch in diesem Jahr erholen.

Werfen wir nun einen Blick auf die Divisionen. Wie hat sich DHL Express im zweiten Quartal entwickelt?

Melanie Kreis: DHL Express bleibt die Division mit der höchsten EBIT-Marge. 14,7 Prozent sind ein sehr gutes Ergebnis - und das trotz des schwachen konjunkturellen Umfelds. Die Volumen im Kerngeschäft mit zeitkritischen Expressendungen, kurz TDI, sind wie erwartet zurückgegangen. Mit konsequentem Ertrags- und Kostenmanagement sowie der Optimierung unserer Netzwerkkapazitäten konnten wir dies teils wett machen. Ein Highlight des zweiten Quartals war die Einführung der GoGreen Plus Option für die Express Luftfracht. Damit können Kunden seit Juni ihre CO2-Emissionen mit Hilfe von nachhaltigen Flugkraftstoffen deutlich reduzieren. Wir unterstützen unsere Kunden aktiv dabei, ihre CO2-Ziele zu erreichen. Das zeigt, dass unser Angebot und unsere Strategie stimmen. 

Welche Bilanz ziehen Sie bei DHL Global Forwarding, Freight?

Melanie Kreis: In der Division Global Forwarding, Freight zeigt sich erwartungsgemäß die allgemeine Normalisierung der Frachtmärkte. Die Kapazitäten in der See- und Luftfracht sind wieder verfügbar, während die Nachfrage zurückgegangen ist - daher gehen Volumen und Frachtraten zurück. Die divisionale EBIT-Marge bleibt mit 8,0 Prozent stabil und ist die zweithöchste Marge aller Divisionen. Auch wenn die konjunkturellen Rahmenbedingungen nicht optimal sind, befinden sich Umsatz und EBIT weiterhin über dem Niveau vor der Pandemie. Dazu tragen auch unsere verbesserten IT- und Prozesslandschaften maßgeblich bei. 

DHL Supply Chain hatte einen starken Jahresauftakt. Wie lief das zweite Quartal für die Division?

Melanie Kreis: DHL Supply Chain hat erfolgreich an den guten Start ins Jahr angeknüpft. Der Umsatz ist im zweiten Quartal über alle Regionen und Sektoren hinweg gestiegen. Das wachsende E-Commerce-Geschäft, Vertragsverlängerungen und ein starkes Neugeschäft - vor allem im Einzelhandel und im Technologie-Sektor - haben sich positiv niedergeschlagen. Besonders erfreulich ist das mit 11,5 Prozent zweistellige EBIT-Wachstum und die EBIT-Marge von starken 6,4 Prozent. Die Division profitiert neben Produktivitätssteigerungen durch Digitalisierung und Standardisierung von der steigenden Nachfrage in der Kontraktlogistik. Die langfristigen Verträge in der Division Supply Chain sind ein wichtiger Gegenpol zu Divisionen, die stärker von makroökonomischen Faktoren beeinflusst werden. Daher bauen wir diese wichtige Säule mit strategischen Investitionen in Wachstumsmärkten wie Lateinamerika weiter auf. So schaffen wir die Basis für eine Verbreiterung unseres Kundenstamms in nachfragestarken Branchen - wie etwa dem Gesundheitswesen, der Automobilindustrie und dem Technologiesektor - und sorgen gleichzeitig für ein regional weiterhin gut ausbalanciertes Wachstum. 

Wie hat sich DHL eCommerce im zweiten Quartal entwickelt?

Melanie Kreis: eCommerce hatte ein solides zweites Quartal. Kontinuierliche Investitionen in den Ausbau unserer Netze und höhere operative Kosten in einzelnen Märkten machen sich im schwächeren EBIT bemerkbar, sind aber das Fundament für weiteres Wachstum. Der Umsatz ist mit 1,5 Milliarden Euro im Vergleich zum Vorjahresquartal nicht nur stabil, sondern befindet sich wie das EBIT auf einem im Vergleich zu den Vor-Corona-Jahren strukturell höheren Niveau. Der Megatrend E-Commerce ist intakt und wir arbeiten kontinuierlich am Ausbau unserer Präsenz in strategisch relevanten Märkten. Mit der Übernahme von MNG Kargo, einem der führenden türkischen Paketdienstleister, stärken wir unser Netzwerk sowohl in der Türkei als auch für den grenzüberschreitenden E-Commerce-Handel.

Wie lief das zweite Quartal für Post & Paket Deutschland?

Melanie Kreis: Der Umsatz entspricht mit 4,0 Milliarden Euro dem Vorjahresniveau. Am strukturellen Trend hat sich aber nichts geändert. Wie erwartet laufen Brief- und Paketgeschäft weiter auseinander. Die Briefvolumen gehen zurück und die Nachfrage nach Werbemailings ist angesichts von Inflation und Kaufzurückhaltung rückläufig - das zeigt sich spürbar im Umsatz. Die Kostensteigerungen konnten dabei aufgrund der geltenden Entgeltregulierung bei den Brief-Basisprodukten nicht durch höhere Preise ausgeglichen werden. Im Paketgeschäft stimmt uns die Umsatzentwicklung dagegen positiv: Das Paketvolumen wächst trotz des aktuell eher vorsichtigen Verbraucherverhaltens. 

Es gibt derzeit Debatten um die Aktualisierung des Postgesetzes. Was ist der Hintergrund?

Melanie Kreis: Im Rahmen der Postmarktregulierung gibt es zwei wesentliche Problemfelder: Die Finanzierung des freiwillig durch uns erbrachten Post-Universaldienstes sowie die Finanzierung der Investitionen in den durch den Briefmengenrückgang hervorgerufenen Strukturwandel und die Klimaneutralität. Die seit über 20 Jahren unverändert geltenden Universaldienstvorgaben werden den Kommunikationsgewohnheiten einer zunehmend digitalen Gesellschaft nicht mehr gerecht. Denken Sie an all die digitalen Echtzeit-Dienste wie E-Mail, WhatsApp und viele andere. Derzeit überwiegen die wirtschaftlichen Nachteile aus der Universaldiensterbringung die Vorteile. Deshalb müssen Regelungen gefunden werden, die uns auch zukünftig ein wirtschaftliches Arbeiten ermöglichen. Zum anderen muss uns die Regulierung einen Ertrag zugestehen, mit dem wir die notwendigen Investitionen in den Strukturwandel sowie klimaneutrale Postdienstleistungen finanzieren können. Wenn die Rahmenbedingungen im Postgesetz dementsprechend verändert werden, wird es DHL Group auch zukünftig möglich sein, den Universaldienst in Deutschland mit guten Arbeitsbedingungen und zunehmend CO2-neutral zu erbringen.

Wie beeinflussen die Ergebnisse der Divisionen den Cashflow der Gruppe?

Melanie Kreis: Unser Cash Flow spiegelt natürlich erstmal die Entwicklung des Group EBIT wider. Daher ist der operative Cash Flow ebenfalls leicht unter Vorjahr, dank einer guten Entwicklung des Working Capital allerdings im zweiten Quartal deutlich weniger als das EBIT. Grundsätzlich zeigt sich deutlich, dass wir auch beim Cash Flow ein nachhaltig höheres Niveau erreicht haben; dies zeigt sich auch in unserer Free-Cash-Flow-Guidance. Die verbesserte Cash-Generierung aus unserem operativen Geschäft heraus erlaubt uns, auch in herausfordernden Zeiten aktiv in unser Kerngeschäft zu investieren. 

Sie sprechen das Thema Investitionen an: Im ersten Halbjahr hat DHL 1,3 Milliarden Euro investiert. Wohin fließen die Mittel?

Melanie Kreis: Zunächst einmal ist es keine Selbstverständlichkeit, dass wir auch in unsicheren Zeiten investieren können. Das haben wir uns in den vergangenen Jahren erarbeitet. Unsere Investitionen widmen wir konsequent unseren wichtigsten Zukunfts- und Wachstumsfeldern - sie fließen in Infrastruktur-, Automatisierungs- und Nachhaltigkeitsprojekte. Wir helfen damit unseren Kunden, widerstandsfähige und flexible Lieferketten aufzubauen und spielen eine entscheidende Rolle im globalen Handel.

Unser kürzlich in Betrieb genommenes DHL Express-Drehkreuz in Atlanta etwa stärkt unser Netzwerk in den USA und verkürzt Transitzeiten zu den wichtigsten globalen Märkten. Dazu ist es der umweltfreundlichste Express-Standort in Amerika: Bis zu 50 Prozent des Energieverbrauchs vor Ort werden durch Solarzellen auf dem Dach erzeugt und die restliche benötigte Energie stammt aus erneuerbaren Quellen. Hinzu kommen kontinuierliche Investitionen in effizientere Flugzeuge und Elektrofahrzeuge. 

Gibt es weitere Beispiele für Investitionen in Nachhaltigkeitsprojekte?

Melanie Kreis: Zu weiteren Nachhaltigkeits-Initiativen gehört zum Beispiel eine neue Güterzugverbindung zwischen Dänemark und Deutschland. Im zweiten Quartal haben wir zudem Fortschritte beim Ausbau des nachhaltigen Frachtangebotes gemacht. So haben wir eine strategische Partnerschaft mit IAG Cargo geschlossen, die uns über 11,5 Millionen Liter nachhaltigen Flugkraftstoff sichert. Damit kommen wir unserem Null-Emissionsziel für 2050 einen Schritt näher.

Darüber hinaus helfen uns Innovationen, nachhaltig profitabler zu werden. Das Beratungsunternehmen Gartner hat uns kürzlich als weltweit führend für den Einsatz neuer Technologien eingestuft. Das spornt uns an, konsequent voranzugehen. Eine Taskforce analysiert derzeit den Nutzen Künstlicher Intelligenz für den Konzern. Wir sehen darin einen strategisch wichtigen Hebel für neue Services und noch mehr Effizienz.