"Wir konnten die Resilienz unseres Geschäftsmodells erneut unter Beweis stellen"
Deutsche Post DHL Group ist wie erwartet in das neue Geschäftsjahr 2023 gestartet. In einem herausfordernden Umfeld erzielte der Konzern einen Umsatz von 20,9 Milliarden Euro und ein operatives Ergebnis (EBIT) von 1,6 Milliarden Euro. Im Gespräch mit DPDHL Group News ordnet Finanzvorstand Melanie Kreis die aktuelle Geschäftsentwicklung ein und erläutert die Perspektiven des Konzerns für den weiteren Jahresverlauf.
Frau Kreis, wie blicken Sie auf den Jahresauftakt von Deutsche Post DHL Group?
Melanie Kreis: Unser Jahresstart verlief nach Plan und wir blicken insgesamt zufrieden auf das erste Quartal. Umsatz und operatives Ergebnis sind weiterhin auf einem sehr hohen Niveau - auch wenn wir die herausragenden Werte des Vorjahres nicht ganz erreichen konnten. Wie erwartet haben wir die nachlassende Wachstumsdynamik und die Normalisierung der Frachtmärkte gespürt. Diese Entwicklungen haben wir allerdings frühzeitig erkannt. So konnten wir entsprechend reagieren. Unsere Teams haben Höchstleistungen erbracht und sich stark behauptet. Zudem haben wir erneut von unserem gut ausbalancierten Portfolio an Logistikdienstleistungen und von unserer internationalen Aufstellung profitiert. Zusammengefasst: Wir sind robust in das Jahr gestartet und konnten die Resilienz unseres Geschäftsmodells erneut unter Beweis stellen.
Sie sprechen das gesamtwirtschaftliche Umfeld an. Was bedeutet das genau und wie hat der Konzern darauf reagiert?
Melanie Kreis: Wir haben zum Jahresauftakt genau die Entwicklungen gesehen, die wir im Herbst 2022 prognostiziert hatten. Die B2B-Volumina sind weiter zurückgegangen und die internationalen Transportmärkte haben sich infolge der schwächeren Nachfrage weiter normalisiert. In der Luftfracht war der Volumenrückgang vor allem auf Handelsrouten zwischen Asien und den USA und zwischen Asien und Europa spürbar - in der Seefracht besonders durch den Rückgang auf den aus China kommenden Handelsrouten. Gleichzeitig hat die Inflation den Konsum gedämpft und den Onlinehandel ausgebremst. Wir beobachten diese Situation weiterhin sehr aufmerksam und nutzen bewährte Steuerungsinstrumente, um Risiken abzumildern. Das heißt, wir behalten unsere Kosten fest im Blick und achten auf ein sehr diszipliniertes Ertrags- und Cash-Management. Gleichzeitig sehen wir langfristig weiterhin attraktive strukturelle Wachstumsmöglichkeiten in der gesamten Logistikkette des E-Commerce; deshalb investieren wir auch weiter gezielt in unsere Netzwerke.
Was bedeutet das für die Jahresprognose? Die haben Sie aufgrund der genannten Unsicherheitsfaktoren ja bewusst weit gefasst...
Melanie Kreis: Wir haben uns für eine Ergebnisprognose entlang von drei möglichen Szenarien entschieden. Ursächlich dafür war die anhaltende Ungewissheit über Verlauf und Erholung der Weltwirtschaft. Zudem wollten wir maximale Transparenz und Klarheit gewährleisten. Dieser Ansatz bewährt sich auch heute, da die wichtigste Frage nach wie vor lautet: Wie lange braucht es, bis die Weltwirtschaft wieder an Dynamik gewinnt? Sollte dies schon zur Mitte dieses Jahres der Fall sein, trauen wir uns für das laufende Geschäftsjahr ein EBIT von rund 7,0 Milliarden Euro zu. Im schlechtesten Fall bleibt eine Erholung dieses Jahr aus. Aber auch auf diesen Fall wären wir vorbereitet und in der Lage, ein EBIT von mindestens 6,0 Milliarden Euro zu erzielen. Entsprechend erwarten wir unverändert, dass unser operatives Ergebnis 2023 innerhalb eines Korridors von 6,0 bis 7,0 Milliarden Euro liegen wird. Bis 2025 wollen wir wieder wachsen. Infolgedessen haben wir auch die Prognose für 2025 vollumfänglich bestätigt. Ich bin überzeugt: Wir haben die besten Voraussetzungen, um von einem künftigen Konjunkturaufschwung, strukturell höheren Wachstumsraten im E-Commerce und einem fortgesetzten Outsourcing von Logistiklösungen zu profitieren. Der Fokus auf unser profitables Kerngeschäft wird sich auch hier auszahlen.
Lassen Sie uns nun einen Blick auf die Divisionen werfen. Wie ist DHL Express ins Jahr gestartet?
Melanie Kreis: DHL Express hat sich im aktuellen Marktumfeld gut entwickelt. Der Umsatz hat sich auf dem starken Niveau des Vorjahres gehalten. Das zeigt, dass die Nachfrage nach Express-Dienstleistungen wie üblich resilienter bleibt. Das EBIT hingegen ist im Vergleich zum Vorjahreszeitraum gesunken. Diese Rückgänge spiegeln vor allem die konjunkturell bedingte Volumenentwicklung wider. Damit haben wir gerechnet und unser globales Netzwerk entsprechend angepasst. Durch effektives Kosten- und Ertragsmanagement konnten wir den EBIT-Rückgang für die Division daher gut abmildern. Diese vorausschauende Planung ermöglicht es uns auch, weiter in den Ausbau unseres Nachhaltigkeitsangebots zu investieren. So hat die Division im Februar 2023 GoGreen Plus eingeführt. Dieser neue Service erlaubt es unseren Kunden, die CO2-Emissionen, die mit ihren zeitkritischen Express Sendungen entstehen, wirklich zu reduzieren - und zwar durch den Einsatz von nachhaltigem Flugkraftstoff. Ein Novum für globale Expressunternehmen und ein weiterer Beleg dafür, dass wir als Marktführer die grüne Transformation der Logistik maßgeblich vorantreiben.
DHL Global Forwarding, Freight hatte einen herausfordernden Jahresauftakt. Wie blicken Sie auf die Division?
Melanie Kreis: Die Entwicklung bei DHL Global Forwarding, Freight spiegelt die Normalisierung der Transportmärkte wider. Wie erwartet sind Umsatz und EBIT im Vergleich zum Vorjahr zurückgegangen. Treiber dieser Entwicklung waren geringere Volumina und Frachtraten. Wie zuvor schon angesprochen, waren in der Luftfracht die Handelsrouten zwischen Asien und den USA sowie zwischen Asien und Europa maßgeblich betroffen. Im Vergleich zu den Zahlen von vor der Pandemie wird deutlich: Die Division hat Umsatz und operatives Ergebnis erheblich gesteigert. Beide Werte bewegen sich nach wie vor auf einem guten Niveau - auch in dem sich normalisierendem Marktumfeld. Hier wird deutlich, dass unsere neue IT-Lösung (Transport Management System) sowie die damit einhergehenden verbesserten Prozesse und höhere Transparenz uns sowohl bei der Geschäftsentwicklung als auch der Profitabilität nachhaltig gestärkt haben.
DHL Supply Chain legte im ersten Quartal starke Zahlen vor. Worauf stützt sich diese Entwicklung?
Melanie Kreis: Die Division DHL Supply Chain konnte ihren Wachstumskurs in allen Regionen weiter fortsetzen. Umsatz und Ergebnis sind gestiegen und auch die EBIT-Marge ist mit einem Wert von 5,5 Prozent sehr gut. Diese Entwicklung stützt sich vor allem auf ein starkes Neugeschäft - der größte Teil entfiel auf die Sektoren Retail, Technology und Consumer und ist maßgeblich E-Commerce-basierten Lösungen zuzurechnen. Zudem machen die langfristigen Vertragsbeziehungen und das breit gestreute Kundenportfolio die Division sehr resilient. Um diese Widerstandskraft weiter zu stärken, bauen wir unser Leistungsportfolio kontinuierlich aus und haben darüber hinaus weltweit bereits 5.400 Digitalisierungsprojekte erfolgreich implementiert und in Betrieb.
Wie hat sich die Division DHL eCommerce Solutions im ersten Quartal entwickelt?
Melanie Kreis: Die Division DHL eCommerce Solutions hat sich ebenfalls gut behauptet. Der Umsatz ist im Vergleich zum Vorjahresquartal gewachsen, was sich auf diszipliniertes Ertragsmanagement und stabile Volumina zurückführen lässt. EBIT und EBIT-Marge waren jedoch rückläufig. Verantwortlich dafür sind vor allem höhere Kosten im B2C-Geschäft sowie kontinuierliche Investitionen in den Netzausbau und das Wachstum der Division. Zum Beispiel ist DHL eCommerce Solutions in Polen eine Partnerschaft mit Cainiao eingegangen. Ziel ist es, gemeinsam eines der größten Out-of-Home-Zustellnetzwerke im Land zu entwickeln. Darüber hinaus sind wir mit Poste Italiane eine strategische Partnerschaft eingegangen. Auch mit diesem Schritt bauen wir unsere Aktivitäten im internationalen Paketmarkt weiter aus. DHL eCommerce Solutions wird den Straßentransport von Paketen für Poste Italiane in europäische Länder übernehmen. Gleichzeitig investieren wir gemeinsam in ein Joint Venture, um ein hochmodernes und nachhaltiges Packstation-Netzwerk in Italien aufzubauen.
2023 hat für Post & Paket Deutschland aufgrund der Tarifverhandlungen turbulent begonnen. Was bedeutet das für das Ergebnis der Division?
Melanie Kreis: Zwar konnte Post & Paket Deutschland den Umsatz annähernd auf Vorjahresniveau halten, aber das EBIT war deutlich rückläufig. Ursächlich dafür waren höhere Kosten, schwierige regulatorische Rahmenbedingungen und der Tarifkonflikt. Um hier eine Einigung zu erzielen, sind wir über unsere finanzielle Schmerzgrenze hinaus gegangen - vor allem im Interesse unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, aber auch unserer Kunden. Wichtig ist, dass wir unbefristete Streiks zu Lasten unserer Kunden und des Unternehmens vermeiden konnten und nun gemeinsam nach vorne schauen. Dennoch hat der Tarifabschluss und die damit einhergehende Unsicherheit das Q1 Ergebnis belastet, und wir müssen nun geeignete Gegenmaßnahmen ergreifen.
Wie spiegelt sich das Abschneiden der Divisionen im Cashflow der Gruppe wider?
Melanie Kreis: Unsere Finanzkraft ist unverändert hoch. Mit 2,4 Milliarden Euro lag unser operativer Cashflow im ersten Quartal auf dem starken Niveau des Vorjahres. Der Free Cashflow liegt bei rund 983 Millionen Euro. Somit sind wir in der Lage, auch in herausfordernden Zeiten aktiv in unser Kerngeschäft zu investieren. Im ersten Quartal haben wir 569 Millionen Euro an Investitionen getätigt - vor allem in die Erneuerung der interkontinentalen Flugzeugflotte und den Ausbau nachhaltiger Transportmöglichkeiten. Wir können damit noch besser auf den mittelfristig wieder steigenden Bedarf an globalen Expresskapazitäten reagieren, unsere Umweltbilanz verbessern und für unsere Kunden die beste Servicequalität erbringen. Hieran wollen wir anknüpfen. Für das Gesamtjahr 2023 planen wir deshalb unverändert mit Investitionen zwischen 3,4 und 3,9 Milliarden Euro.
Nach 15 Jahren an der Unternehmensspitze übergibt Frank Appel nach der Hauptversammlung den Staffelstab an Tobias Meyer. Was bedeutet das für Sie und Deutsche Post DHL Group?
Melanie Kreis: Erst einmal möchte ich mich - im Namen des Vorstands und des gesamten Unternehmens, aber auch ganz persönlich - an dieser Stelle für Frank Appels großartige Leistung und Führung bedanken. Er hat den Konzern in den vergangenen 15 Jahren zum größten und innovativsten Logistikdienstleister der Welt entwickelt. Frank Appel übergibt ein sehr erfolgreiches und für die Zukunft bestens aufgestelltes Unternehmen. Zugleich freue ich mich sehr auf die Zusammenarbeit mit unserem neuen, aber gut bekannten CEO Tobias Meyer. Tobias Meyer ist ein großartiger Kollege und Manager. Er hat unsere Strategie 2025 entscheidend mitentwickelt und den Konzern auf die Megatrends Digitalisierung, Nachhaltigkeit, Globalisierung und eCommerce ausgerichtet. Infolgedessen steht er für Kontinuität und bringt gleichzeitig frische Perspektiven und Impulse ein. Für mich ist er deshalb die ideale Besetzung, um den erfolgreichen Kurs von Deutsche Post DHL Group weiterzuführen.