"Wir konzentrieren uns in der aktuell nach wie vor schwachen Konjunkturphase auf Kosten- und Kapazitätsmanagement - und auf unsere Wachstumschancen."
DHL Group hat im zweiten Quartal die Markterwartungen getroffen. Der Umsatz ist leicht gewachsen und das operative Ergebnis ging zurück. Beide Kennzahlen liegen leicht über dem Konsensus - also dem Medianwert aller Einschätzungen der Marktanalysten. Damit hält der Konzern trotz der anhaltend wenig dynamischen Weltkonjunktur den Kurs. Im Interview mit DHL Group News erklärt CFO Melanie Kreis, was der Konzern für die zweite Jahreshälfte erwartet, welche Auswirkungen das neue Postgesetz für Post & Paket Deutschland hat und wie sich DHL Group mit der für Herbst angekündigten "Strategie 2030" fit für die Zukunft machen will.
Frau Kreis, wie blicken Sie auf das zweite Quartal der DHL Group?
Melanie Kreis: Das Quartal verlief wie erwartet. Wir haben bereits im Frühjahr gesagt, dass wir eine spürbare Belebung der Weltwirtschaft - und damit Rückenwind für unsere globalen Logistikaktivitäten - frühestens im zweiten Halbjahr sehen. Trotz der anhaltend wenig dynamischen Weltkonjunktur konnten wir den Umsatz im zweiten Quartal um 2,7 Prozent steigern. Das operative Ergebnis belief sich auf 1,35 Milliarden Euro. Damit lagen wir voll im Rahmen der Erwartungen und deutlich über dem Vor-Pandemie-Niveau - 2019 hatten wir ein EBIT von 769 Millionen Euro erzielt. Hier zeigt sich einmal mehr die strukturell deutlich verbesserte Ertragskraft der DHL Group.
Wie haben sich die Divisionen im zweiten Quartal entwickelt?
Melanie Kreis: Angesichts der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sehr solide und genau wie erwartet. Positiv sticht Supply Chain heraus. Die Division ist von der kurzfristigen weltwirtschaftlichen Entwicklung unabhängiger als ihre Schwesterdivisionen und konnte bei Umsatz und Ergebnis weiter zulegen. Auch das deutliche Umsatzplus bei eCommerce ist erfreulich und unterstreicht eindrucksvoll den E-Commerce-Trend. Diese Entwicklungen zeigen auch, dass unsere strukturellen Wachstumstreiber Omnishoring, E-Commerce, Nachhaltigkeit und Digitalisierung intakt sind und weitere Wachstumschancen für uns bieten. Die anderen DHL-Divisionen reagieren tendenziell stärker auf die Weltkonjunktur. Das hatten wir auch genauso erwartet.
Nach den Corona-Jahren sprachen Sie von einer "Normalisierung". Ist denn inzwischen eine Bodenbildung erkennbar?
Melanie Kreis: Bei den Luft- und Seefrachtvolumen scheint das der Fall zu sein. Da haben wir im ersten und zweiten Quartal steigende Volumen gesehen, wenn auch gegenüber niedrigen Vergleichswerten im Vorjahr. Auch bei den Express B2B-Volumen sehen wir eine leichte Verbesserung, aber noch keine maßgebliche Beschleunigung. Zuversichtlich stimmt uns, dass im zweiten Quartal erstmals seit fast drei Jahren alle fünf Divisionen steigende Umsätze verzeichnet haben. Trotzdem können wir die bislang ausbleibende weltwirtschaftliche Dynamik nicht ignorieren. Wir haben uns jedoch früh auf diese wirtschaftliche Entwicklung vorbereitet und deshalb Kapazitäten und Kosten im Griff.
Wie ist Ihr Blick auf das Gesamtjahr?
Melanie Kreis: Die Weltwirtschaft hat sich im ersten Halbjahr 2024 wie von uns erwartet entwickelt: Ein breiter und dynamischer konjunktureller Aufschwung ist ausgeblieben. In der zweiten Jahreshälfte gehen wir von einem typisch positiven saisonalen Geschäftsverlauf durch den Starkverkehr aus. In Kombination mit unserem effektiven Ertrags- und Kostenmanagement sehen wir uns auf einem guten Weg, unsere Ziele zu erfüllen.
Und wenn die Belebung der Weltwirtschaft wenig dynamisch ausfällt…?
Melanie Kreis: Auch dann sind wir zuversichtlich, dass wir das untere Ende unserer EBIT-Zielspanne von 6,0 bis 6,6 Milliarden Euro erreichen. Nach sechs Monaten stehen wir bei 2,7 Milliarden Euro. Das ist eine starke Leistung unseres Teams. Die zweite Jahreshälfte - und insbesondere das Weihnachtsquartal - ist bei uns traditionell die stärkste Zeit des Jahres. Wir bereiten uns intensiv auf den Starkverkehr vor. Die Ärmel sind schon hochgekrempelt.
Ein wichtiger Meilenstein im zweiten Quartal war die Verabschiedung des neuen Postgesetzes. Wie bewerten Sie das Abschneiden von Post & Paket Deutschland vor diesem Hintergrund?
Melanie Kreis: Wir begrüßen es, dass wir nun endlich einen verlässlichen regulatorischen Rahmen haben, denn die Herausforderungen bei Post & Paket sind groß. Der strukturelle Rückgang der Briefmengen hält unvermindert an. Darüber können auch die leicht positiven Effekte aus der Europawahl im zweiten Quartal nicht hinwegtäuschen. Gleichzeitig steigen die Kosten. Um ein paar Zahlen zu nennen: Seit 2020 sind die Verbraucherpreise in Deutschland um circa 20 Prozent gestiegen. Die Energiepreise haben um rund 50 Prozent zugelegt. Im Rahmen der letzten Tarifverhandlungen bei Post & Paket wurden die Löhne im April 2024 um durchschnittlich 11,5 Prozent angehoben. Die letzte Portoerhöhung liegt hingegen fast drei Jahre zurück und betrug einmalig 4,6 Prozent. Auch wenn wir viele Details kritisch sehen, schafft das neue Postgesetz doch eine Grundlage, auf der wir die Transformation der Division vom Brief- zum Paketdienstleister weiter vorantreiben können.
Welche Ertragskraft trauen Sie der Division Post & Paket unter dem neuen regulatorischen Rahmen zu?
Melanie Kreis: Klar ist, dass auch unter dem neuen Postgesetz bei Post & Paket die Bäume nicht in den Himmel wachsen werden. Wie sich die Profitabilität entwickelt, werden wir sehen, wenn die Entgeltregulierung im Herbst erfolgt ist und wir die neuen Preise ab 2025 kennen. Unsere klare Erwartung ist, dass Post & Paket ein operatives Ergebnis von mindestens einer Milliarde Euro pro Jahr erwirtschaftet. Das ist das Minimum, das die Division braucht, um aus eigener Kraft in die Transformation von Brief zu Paket und in emissionsarme Logistik investieren zu können.
Für das zweite Halbjahr haben Sie ein Update der Konzernstrategie angekündigt. Wohin gehen die Überlegungen?
Melanie Kreis: Unsere aktuelle "Strategie 2025" hat uns erfolgreich durch die Herausforderungen der letzten Jahre getragen. Mit ihr haben wir eine starke Basis. Die "Strategie 2030" baut darauf auf. Unsere Wachstumstreiber - Omnishoring, E-Commerce, Digitalisierung und Nachhaltigkeit - sind intakt. Hier sehen wir für die kommenden Jahre weiterhin große Chancen. Wachstum und Führungskultur stehen daher ganz klar im Fokus. In einer sich ständig verändernden Welt müssen wir noch schneller und dynamischer werden. Wir wollen mit der "Strategie 2030" aus einem sehr guten Unternehmen ein noch besseres machen.