"Alle Divisionen haben operativ profitabel gearbeitet"
Deutsche Post DHL Group hat sich im ersten Quartal trotz der Covid-19-Pandemie gut behauptet. So konnte das Unternehmen den Umsatz im ersten Quartal 2020 im Vergleich zum Vorjahr um 0,9 Prozent auf 15,5 Milliarden Euro steigern. Das operative Ergebnis (EBIT) betrug 592 Millionen Euro. Damit bestätigte der Konzern die im April veröffentlichten vorläufigen Zahlen. Im Interview mit DPDHL Group News erläutert Finanzvorstand Melanie Kreis, wie sich die Pandemie auf die einzelnen Geschäftsbereiche auswirkt und warum der Konzern insgesamt robust und stabil durch die Krise kommt.
Frau Kreis, wie hat sich die Deutsche Post DHL Group im ersten Quartal vor dem Hintergrund der Corona-Krise behauptet?
Melanie Kreis: Der Jahresauftakt verlief anders als geplant. Dennoch hat sich unser Unternehmen im ersten Quartal gut behauptet. Wir sind trotz der negativen Pandemie-Effekte weiter gewachsen. Alle Divisionen haben operativ profitabel gearbeitet. Das ist in Zeiten wie diesen keine Selbstverständlichkeit. Hier zeigt sich, dass das Unternehmen fundamental in einer starken Verfassung ist. Mit unserer breiten geografischen Aufstellung und unserem umfangreichen Portfolio von Logistikdienstleistungen sind wir robust aufgestellt. Und auch finanziell stehen wir solide da.
Könnten Sie das bitte etwas näher erläutern?
Melanie Kreis: Aus der Sicht eines Finanzvorstands steht in der Krise die Sicherung der Liquidität an erster Stelle. Deutsche Post DHL Group ist hier gut aufgestellt, was es uns erlaubt weiterhin signifikant in künftiges Wachstum investieren. Wir hatten im ersten Quartal einen starken operativen Cashflow und konnten diesen um fast eine halbe Milliarde Euro verglichen mit dem Vorjahr steigern. Per Ende März lag unsere frei verfügbare Liquidität bei rund 2,6 Milliarden Euro. Hinzu kommen bislang ungenutzte Kreditlinien in Milliardenhöhe. Wir haben eine solide Bilanz und damit gute Voraussetzungen, um souverän durch die Krise zu kommen.
Als Logistikunternehmen helfen sie gerade sowohl Konsumenten als auch anderen Unternehmen durch diese Krise zu steuern...
Melanie Kreis: Logistik ist im Moment wichtiger denn je, um die Versorgung aufrecht zu erhalten. Dank des unermüdlichen Einsatzes unserer Kolleginnen und Kollegen weltweit schaffen wir es, die globalen Warenströme aufrecht zu erhalten. Wir transportieren beispielsweise Schutzausrüstung und Medikamente und helfen bei der Versorgung der Bevölkerung. Vor allem aber sorgen wir dafür, dass Lieferketten intakt bleiben und Unternehmen trotz großer Herausforderungen weiter produzieren können. Gerade in diesen schwierigen Zeiten verstehen wir uns als starken und verlässlichen Partner für unsere Kunden - überall auf der Welt.
Wie stellt sich die Entwicklung in den Divisionen dar - angefangen bei P&P Deutschland?
Melanie Kreis: Das deutsche Post- und Paketgeschäft hat sich insgesamt gut entwickelt. Die eingeleiteten Preismaßnahmen greifen. Der Umsatz ist im ersten Quartal gegenüber dem Vorjahr um 3,8 Prozent gestiegen. Das operative Ergebnis konnten wir sogar um 47,1 Prozent steigern. Die 2018 angestoßene Restrukturierung der Sparte zeigt also positive Effekte, wenngleich die Pandemie im März deutliche Auswirkungen hatte. Im Briefgeschäft gingen die Sendungsmengen zum Ende des Quartals signifikant zurück. Das betrifft vor allem das Dialog Marketing, also die Werbepost. Im Paketgeschäft hingegen gab es wegen der geschlossenen Geschäfte seit Ende März einen Boom, wie wir ihn sonst nur Weihnachten erleben. Das hat zwar zu höheren Volumina, aber natürlich auch zu höheren Kosten geführt. Außerdem sorgen wir mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln für den Schutz und die Gesundheit unserer Mitarbeiter, was ebenfalls Zusatzausgaben verursacht. In der Summe hat Covid-19 das EBIT bei P&P im ersten Quartal mit 44 Millionen Euro belastet.
Wie sieht es bei DHL Express aus?
Melanie Kreis: Das Geschäftsmodell von Express hat sich in der Krise als sehr robust erwiesen. Organisch ist der Umsatz im ersten Quartal um 4,6 Prozent gewachsen. Während Passagierflugzeuge am Boden blieben - womit auch ein großer Teil der Luftfracht-Kapazitäten verloren ging - konnten wir mit unseren eigenen Frachtfliegern sicherstellen, dass dringend benötigte Güter schnell ihren Bestimmungsort erreichten. Das Wachstum in unserem Kernprodukt, den zeitgenauen internationalen Sendungen, hat sich Pandemie-bedingt dennoch verlangsamt. Während sich das Geschäft in China bereits im März spürbar erholen konnte, zeigt sich der negative Verlauf, den das Geschäft im Februar in China nahm, zum Quartalsende in den Regionen Europa und Nordamerika. Vor allem die daraus folgende krisenbedingte niedrige und ungleiche Auslastung unseres Netzwerks sorgte dafür, dass das operative Ergebnis von Express unter dem Vorjahr geblieben ist. Dennoch hat Express mit 9,5 Prozent eine für Krisenzeiten exzellente operative Marge erreicht.
Herausfordernd ist die Situation auch für Global Forwarding, Freight...
Melanie Kreis: In der Tat waren die vergangenen Wochen eine Herausforderung für die gesamte Frachtindustrie, die die Auswirkungen der Pandemie deutlich zu spüren bekommen hat. In diesem Umfeld reduzierte sich der Umsatz von DGFF trotz der starken Verknappung der im Markt befindlichen Kapazitäten nur um 4,1 Prozent. Hier haben unsere Kolleginnen und Kollegen einen außerordentlich guten Job gemacht und alles gegeben, um unseren Kunden weiterhin Kapazitäten zu sichern, sodass wir trotz rückläufiger Umsätze unser Bruttoergebnis in der Luftfracht steigern konnten.
Das Lieferketten-Management und die Lagerlogistik sind die Kernkompetenzen von DHL Supply Chain. Wie sind hier die Geschäfte im ersten Quartal gelaufen?
Melanie Kreis: Supply Chain zeigt sich in der Krise als stabiles Geschäftsmodell. Die Pandemie hat unsere Flexibilität in der Lagerlogistik einem Stresstest unterzogen. Hier konnten wir unter Beweis stellen, dass wir in der Lage sind, auf veränderte Kundenbedürfnisse schnell zu reagieren, zum Beispiel wenn ein Unternehmen seine Produktion mit wenig Vorlauf wieder hochfährt. Dank einer nach Branchen und Regionen sehr ausgewogenen Verteilung des Geschäfts konnten wir den Umsatz der Division im Vergleich zum Vorjahr organisch um mehr als 2 Prozent steigern. Dabei verzeichneten wir abhängig von der Branchenzugehörigkeit unserer Kunden unterschiedliche Covid-19-Effekte. So kamen die Lieferketten in der Automobil- und Modeindustrie in einigen Regionen nahezu zum Stillstand. In der Lebensmittelindustrie und im Gesundheitssektor haben die Aktivitäten hingegen stark angezogen. Verglichen mit dem um Einmaleffekte bereinigten Vorjahresergebnis konnten wir das um die negativen Pandemie-Effekte bereinigte EBIT im ersten Quartal deutlich verbessern.
Die Pandemie sorgt weltweit für einen Boom im Onlinehandel. Wie hat sich das auf die jüngste DHL Division eCommerce Solutions ausgewirkt?
Melanie Kreis: Der Unternehmensbereich hat im ersten Quartal seinen Wachstumskurs fortgesetzt. Auf organischer Basis und ohne Portfolioeffekte ist der Umsatz um 4,0 Prozent gestiegen. Allerdings haben sich die Regionen recht unterschiedlich entwickelt. Die Niederlande und Tschechien verzeichneten beispielsweise zweistellige Wachstumsraten und auch in den USA lief es gut. In Indien und Spanien sehen wir hingegen Pandemie-bedingt deutliche Rückgänge. Trotz der daraus resultierenden Belastungen hat eCommerce Solutions im ersten Quartal einen positiven Ergebnisbetrag geliefert. Unsere Restrukturierungsbemühungen tragen Früchte und wir sind mit dem Geschäft auf einem guten Weg.
Aufgrund von Covid-19 gibt es nach wie vor wenig Visibilität über die weitere weltwirtschaftliche Entwicklung. Wie sind Ihre Erwartungen für den weiteren Verlauf des Geschäftsjahres?
Melanie Kreis: Die Pandemie hat unsere Geschäftsentwicklung im ersten Quartal in geringerem Ausmaß belastet als viele andere Unternehmen. Dennoch lassen sich die Auswirkungen der Pandemie auf die Weltwirtschaft und damit auch auf unsere Geschäftsaktivitäten in den nächsten Monaten nur sehr schwer abschätzen. Deshalb haben wir am 7. April unsere Ergebnisprognose für 2020 aufgehoben. Noch ist es zu früh, um eine verlässliche Prognose für den Rest des Jahres zu geben. Sobald eine belastbarere Einschätzung möglich ist, werden wir eine neue Prognose kommunizieren. Unverändert gültig bleibt unser mittelfristiges Ziel eines Konzern-EBIT von mindestens 5,3 Milliarden Euro für 2022.
Ihr EBIT-Ziel für 2022 haben Sie im Oktober 2019 als Teil Ihrer neuen Strategie 2025 ausgegeben. Bei all der Krisenbewältigung - schaffen Sie es da überhaupt noch, den großen strategischen Plan weiterzuverfolgen?
Melanie Kreis: Zunächst einmal: Unsere Widerstandsfähigkeit als Unternehmen und unser Beitrag für Wirtschaft und Gesellschaft weltweit sind der beste Beweis dafür, dass wir die absolut richtige Strategie haben. Wir fokussieren uns auf unser Logistik-Kerngeschäft, also das, was wir am besten können, und erfüllen damit unseren Unternehmenszweck. Wir sind das Rückgrat der Wirtschaft. Wir verbinden Menschen und verbessern ihr Leben. Unser Unternehmen adressiert im Kontext Covid-19 drei Dimensionen: Die kurzfristige Krisenbewältigung sowie die mittelfristige Planung für die Erholungsphase, aber auch die langfristige Perspektive. Letztere dreht sich klar um die Prioritäten der Strategie 2025: Wir fokussieren uns gerade mehr denn je auf unser Logistik-Kerngeschäft. Gleichzeitig setzen wir unsere Digitalisierungsagenda fort, zum Beispiel durch den verstärkten Einsatz von Data Analytics. Und auch unser Commitment zur Nachhaltigkeit und den damit verbundenen Zielen steht.