"Das erste Quartal liefert uns ein starkes Fundament für die nächsten Monate"
Deutsche Post DHL Group hat ihren profitablen Wachstumskurs im ersten Quartal 2022 erfolgreich fortgesetzt. Der Konzern steigerte seinen Umsatz gegenüber dem Vorjahresquartal um knapp 20 Prozent auf 22,6 Milliarden Euro und erzielte mit einem operativen Ergebnis (EBIT) von 2,2 Milliarden Euro ein sehr gutes Auftaktquartal. Im Interview mit DPDHL Group News spricht Finanzvorstand Melanie Kreis über die Entwicklungen im vergangenen Quartal und mögliche Auswirkungen des Ukraine-Krieges auf das Geschäft des Konzerns.
Frau Kreis, Deutsche Post DHL Group hat das erste Quartal sehr erfolgreich abgeschlossen. Waren die Auswirkungen des Krieges in der Ukraine nicht spürbar?
Melanie Kreis: Dieser Krieg bringt unvorstellbares Leid über Millionen Menschen in Europa. Es gibt keine Rechtfertigung dafür, und wir verurteilen Russlands Angriff auf die Ukraine unverändert aufs Schärfste. Was die Auswirkungen auf das globale Wirtschaftswachstum und die Transportmärkte angeht, so schlagen sich diese bisher jedoch nur begrenzt in unseren Zahlen nieder. Wir mussten Anpassungen vornehmen, zum Beispiel unsere Flugrouten über Russland ändern. Auch unter aktuell schwierigen Umständen haben wir erfolgreich passende und stabile Transportlösungen für unsere Kunden gefunden. Insgesamt hat sich das breite Portfolio unseres Konzerns als krisenfest erwiesen. Dank unserer unterschiedlichen Geschäftsmodelle mit einer starken Präsenz in allen Regionen und einer ausgewogenen Verteilung nach Kundengruppen und Industriesektoren sind wir hervorragend diversifiziert. Mit unseren Erwartungen für das erste Quartal lagen wir richtig. Der Onlinehandel hat sich normalisiert, bleibt aber auf hohem Niveau. Entsprechend waren unsere Netzwerke weiterhin gut ausgelastet. Zusätzlich hat sich das internationale Logistikgeschäft weiter solide entwickelt. Einen signifikanten Ergebnissprung konnten wir in der Luft- und Seefracht realisieren. Zum ersten Mal haben wir zum Jahresauftakt einen Umsatz von über 22 Milliarden Euro erzielt und beim operativen Ergebnis die 2-Milliarden-Marke übertroffen. Damit liefert uns das erste Quartal ein starkes Fundament für die nächsten Monate.
Mit welcher Geschäftsentwicklung rechnen Sie kurz- und mittelfristig - auch vor dem Hintergrund eines möglicherweise länger andauernden Krieges in Europa?
Melanie Kreis: Es ist weiterhin schwierig, mittel- bis längerfristige Prognosen zu treffen. Auch wenn sich der Welthandel bislang als widerstandsfähig erwiesen hat, müssen wir die weltwirtschaftliche Entwicklung und Konsumbereitschaft genau beobachten. Mögliche Effekte des Konflikts in Osteuropa lassen sich noch nicht absehen, jede Vorhersage bleibt mit dieser Unsicherheit behaftet und es gibt noch andere wesentliche Herausforderungen, so zum Beispiel wiederkehrende Lockdowns in China im Rahmen der dortigen Null-Covid-Strategie. Vorbehaltlich dieser Unsicherheit halten wir an unserem Ausblick für 2022 und 2024 fest. Wir wissen aus der Corona-Pandemie, dass wir mit unseren fünf verschiedenen Unternehmensbereichen auch für Krisenzeiten gut aufgestellt sind. Wir verfügen über ein sowohl nach Regionen als auch Branchen sehr ausbalanciertes Portfolio. Das gibt uns die Stabilität und Flexibilität, die wir in schwierigen Zeiten brauchen.
Lassen Sie uns nun einen Blick auf die Divisionen werfen. Wie war der Jahresstart für DHL Express?
Melanie Kreis: Der Umsatz ist im ersten Quartal um knapp 16 Prozent gewachsen. Dabei verteilte sich das Wachstum ausgewogen auf alle Regionen. Die Volumina sind wie erwartet moderat gesunken, aber dafür konnten wir höhere Umsätze pro Sendung erzielen. Zum einen, weil das Gewicht pro Sendung im Durchschnitt gestiegen ist, zum anderen, weil Preisanpassungen wirksam geworden sind. Die steigenden Energiepreise haben sich auch für uns bemerkbar gemacht. Preisschwankungen lassen sich aber gut durch die monatliche Anpassung der Treibstoffzuschläge neutralisieren. Im ersten Quartal haben wir weiter in den Ausbau unserer Netzwerke investiert und unsere Partnerschaften mit Singapore Airlines sowie Cargojet verstärkt. Mit diesen stocken wir die Kapazitäten auf interkontinentalen Flugstrecken nochmals deutlich auf. Gleichzeitig setzen wir auf Wachstum unserer eigenen, über 320 Flugzeuge umfassenden Express-Flotte mit der Bestellung zusätzlicher sechs Boeing 777F - das treibstoffeffizienteste Modell seiner Klasse. Wir planen mit Express in jeder Hinsicht weiter nachhaltig profitabel zu wachsen. So bleibt die Division ein Garant für eine attraktive EBIT-Marge.
Besonders hervor sticht das Ergebnis von DHL Global Forwarding, Freight. Welche Faktoren waren hier ausschlaggebend?
Melanie Kreis: Das Frachtgeschäft hat sich dieses Quartal herausragend entwickelt. Mit einem Anstieg von knapp 55 Prozent auf 7,4 Milliarden Euro ist Global Forwarding, Freight erstmals die umsatzstärkste Division. Die Herausforderungen an den internationalen Transportmärkten haben sich nochmals verschärft, da sich die ohnehin schon knappen Transportkapazitäten weiter reduziert haben. Erneute Lockdowns in Teilen Chinas und der Krieg in der Ukraine haben den Wettbewerb um Frachtraum weiter angeheizt. Entsprechend dynamisch entwickeln sich Preise und Margen. In diesem volatilen Umfeld konnte die Division ihr EBIT gegenüber dem Vorjahr nahezu verdreifachen und dabei sogar noch die Transportmengen in der Luft- und Seefracht leicht steigern. Mit dem Kauf des Seefrachtspezialisten J.F. Hillebrand Group haben wir unser Portfolio optimal um Expertise in der Getränkelogistik ergänzt, der ab dem 1. April Ergebnisbeiträge für den Konzern liefert.
Welche Entwicklung sehen Sie bei DHL Supply Chain?
Melanie Kreis: Die Kontraktlogistik hat stark von der Erholung des Welthandels und einem damit einhergehenden wachsenden B2B-Geschäft im ersten Quartal profitiert. Das Rekordneugeschäft aus dem Vorjahr macht sich nun über alle Regionen hinweg positiv im Umsatz bemerkbar. Besonders zu spüren war das bei Kunden aus dem E-Commerce. Auch der Einzelhandel hat mehr Lager- und Distributionsleistungen nachgefragt, nachdem das öffentliche Leben wieder an Fahrt aufgenommen hatte. Unsere Expertise im Umgang mit komplexen Lieferketten konnten wir im Bereich Engineering & Manufacturing sowie Life Sciences & Healthcare verstärkt zum Einsatz bringen. Mit Investitionen in Entladeroboter und Automation haben wir konsequent unsere Effizienz gesteigert. Das zeigt sich an der verbesserten EBIT-Marge von 5,4 Prozent.
Wie hat sich die Division DHL eCommerce Solutions im ersten Quartal entwickelt?
Melanie Kreis: Die Division hat sich genau so entwickelt, wie wir das erwartet haben. Der Onlinehandel hat sich auf einem insgesamt höheren Level stabilisiert. Mit dem positiven Betriebsergebnis im Rücken können wir weiter in unser profitables Geschäft investieren. In den Niederlanden wollen wir beispielsweise unser erfolgreiches City-Hub-Konzept für die umweltfreundliche innerstädtische Zustellung ausbauen und somit unseren Kunden effiziente und nachhaltige Services anbieten. Den ersten DHL CityHub XL haben wir bereits eröffnet. Im Jahresverlauf sollen 26 weitere CO2-neutrale CityHubs sowie zwei Sortierzentren mit einer Kapazität von 200.000 Paketen pro Tag dazukommen. Damit legen wir die Basis für weiteres nachhaltiges und profitables Wachstum.
Wie hat Post & Paket Deutschland im Umfeld der erwarteten Normalisierung im Onlinehandel abgeschnitten?
Melanie Kreis: Post & Paket Deutschland hat sich insgesamt gut behauptet. Dabei liegen Umsatz und Ergebnis wie erwartet unter dem außergewöhnlich starken Vorjahresniveau, weil sich die Paket-Sendungsmengen nach der Boom-Phase in der Pandemie erwartungsgemäß wieder normalisiert haben. Mit rund 1 Millionen mehr Paketsendungen pro Arbeitstag haben diese aber ein strukturell höheres Niveau im Vergleich zum ersten Quartal 2019 und 2020 erreicht. Das Briefgeschäft hat sich im zurückliegenden Quartal weiter stabilisiert. Im Bereich Dialogmarketing haben die Werbemailings sogar erfreulich zugelegt, sodass sich der Umsatz im Briefgeschäft leicht über Vorjahresniveau bewegte. Ergebnisseitig konnten wir die gesunkene Auslastung im Paketgeschäft teilweise durch Effizienzsteigerungen ausgleichen.
Wie hat sich die abgeschlossene Transaktion von Hillebrand im ersten Quartal auf den Free Cashflow ausgewirkt?
Melanie Kreis: Die erfolgreiche Akquisition des Seefrachtspezialisten Hillebrand hat unseren Free Cashflow im ersten Quartal mit rund 1,4 Milliarden Euro belastet. Diese Transaktion konnten wir aus den verfügbaren Mitteln realisieren, ohne den Kapitalmarkt in Anspruch zu nehmen. Bereinigt um diesen Effekt hat sich der Free Cashflow erneut sehr positiv entwickelt und lag mit 1,1 Milliarden Euro nahezu auf dem Rekordniveau des Vorjahres. Dank der erreichten Fortschritte bei der Cashflow-Generierung sind wir nun in der erfreulichen Lage, eine Transaktion dieser Größenordnung durchzuführen, ohne Einschränkungen bei den Investitionen in unser Kerngeschäft machen zu müssen. Entsprechend konnten wir zusätzlich über eine halbe Milliarde Euro in weiteres profitables Wachstum stecken - und das ist erst der Anfang. Insgesamt wollen wir dieses Jahr eine Rekordsumme von rund 4,2 Milliarden Euro investieren.
Welche Rolle werden nachhaltige Lösungen bei den Investitionen spielen?
Melanie Kreis: Wir sind im Hinblick auf Nachhaltigkeit führend - nicht nur im Vergleich unserer deutschen Wettbewerber, sondern auch im internationalen Umfeld. Diese Führungsrolle wollen wir behalten und investieren Mittel in weitere grüne Transportlösungen. Das trifft bei unseren Kunden auf ein steigendes Interesse. Mit der Erweiterung des GoGreen Plus Services können Kunden nicht mehr nur in der See-, sondern auch in der Luftfracht nachhaltigen Kraftstoff (SAF) buchen und ihre Lieferketten dekarbonisieren. Darüber hinaus ist es uns gelungen, eines der bislang größten SAF-Geschäfte in der Geschichte der Luftfahrt abzuschließen. In Kooperation mit bp und Neste haben wir uns bis 2026 mehr als 800 Millionen Liter SAF gesichert. Damit setzen wir uns entschieden gegen luftfahrtbedingte Emissionen ein.
Weitere Investitionen fließen in digitale Lösungen zur nachhaltigen Routenplanung oder den Einsatz von künstlicher Intelligenz, um das in der Seefracht benötigte Verpackungsmaterial zu optimieren. Bis 2030 wollen wir insgesamt 7 Milliarden Euro in klimaneutrale Logistiklösungen investieren. Wir sind überzeugt: Wenn wir unsere ESG-Roadmap konsequent weiterverfolgen, bleiben wir für Kunden, Mitarbeiter und Investoren erste Wahl.