"Wir sind bereit, sobald der Aufschwung kommt"
Trotz einer ausbleibenden Erholung der Weltwirtschaft und der weiteren Normalisierung des Welthandels nach dem pandemiebedingten Boom, hat sich der weltweit führende Logistikkonzern DHL Group im dritten Quartal im Rahmen der Erwartungen entwickelt und seine Finanzkraft bewiesen. Bei einem Umsatz von 19,4 Milliarden Euro erwirtschaftete der Konzern ein operatives Ergebnis (EBIT) von 1,4 Milliarden Euro und einen Free Cashflow von 1,1 Milliarden Euro. Im Interview erläutert CEO Tobias Meyer, was sich der Konzern vom Schlussquartal 2023 erhofft, welche Auswirkungen geopolitische Krisen haben und warum eine dauerhafte Quersubventionierung von Post & Paket Deutschland nicht möglich ist.
Herr Meyer, wie bewerten Sie die Geschäftsentwicklung von DHL Group im dritten Quartal?
Tobias Meyer: In Anbetracht der weltwirtschaftlichen und geopolitischen Lage konnten wir erwartungsgemäß nicht an die Ausnahmejahre 2021 und 2022 anknüpfen. Trotzdem liegen wir bei den wesentlichen Kennzahlen wie Umsatz, EBIT und Free Cashflow weiterhin auf einem hohen Niveau. Wir sind auf Kurs, unsere Jahresziele zu erreichen. Jetzt zahlt sich aus, dass wir uns frühzeitig auf die zunehmende Unsicherheit eingestellt haben. Natürlich behalten wir unter den aktuellen Rahmenbedingungen unsere Kosten genau im Blick. Trotzdem investieren wir in die Zukunft. So können wir Wachstumschancen wie das Omnishoring nutzen und sind gleichzeitig sehr gut auf den Moment vorbereitet, in dem sich die Weltwirtschaft erholt. Unser globales Netzwerk und unser ausbalanciertes Portfolio geben uns die Flexibilität und Widerstandskraft, um auch in einem schwierigen Marktumfeld erfolgreich zu sein.
Wie blicken Sie auf das vierte Quartal?
Tobias Meyer: Nach neun Monaten liegt unser operatives Ergebnis bei 4,7 Milliarden Euro. Deshalb bin ich zuversichtlich, dass wir unsere Ergebnisprognose erreichen werden. Wie genau sich das Jahresende entwickeln wird, kommt auf das Vorweihnachtsgeschäft an. Traditionell nehmen die Paket- und E-Commerce-Volumen im November und Dezember noch einmal deutlich zu. Durch die Investitionen in unser globales Geschäft und ein hochmotiviertes Team sind wir jedenfalls sehr gut vorbereitet.
Sie sprachen die geopolitische Lage an. Welche Auswirkungen hat der aktuelle Konflikt im Nahen Osten für DHL Group?
Tobias Meyer: Zunächst einmal sind wir in Gedanken bei den Menschen vor Ort – insbesondere bei unseren rund 1.000 Mitarbeitenden in Israel. Wir tun, was wir können, um ihnen und ihren Familien so gut wie möglich in dieser schweren Zeit zu helfen. Darüber hinaus bemühen wir uns, die logistische Infrastruktur in und um Israel aufrecht zu erhalten. Wir hoffen sehr, dass bald eine friedliche Lösung für die Region gefunden werden kann.
Sie betonen immer wieder, dass das breite Portfolio und die internationale Präsenz den Konzern widerstandsfähig machen. Worauf basiert diese Einschätzung?
Tobias Meyer: Wir haben große Erfahrung im Umgang mit unterschiedlichen Konjunkturzyklen und Krisen auf der ganzen Welt. Durch unsere globale Präsenz können wir regionale Herausforderungen zu einem gewissen Grad ausgleichen oder unseren Kunden neue Lösungen für ihre Herausforderungen anbieten. Beispielsweise suchen viele Unternehmen aktuell zusätzliche Logistikstandorte. Sie wollen ihre Lieferketten stärken und weiter diversifizieren. Wir investieren in unser Netzwerk, um dieses Omnishoring zu ermöglichen. Darüber hinaus sind die Geschäftsmodelle der Divisionen unterschiedlich stark von konjunkturellen Schwankungen abhängig. Nehmen Sie zum Beispiel unser Geschäft bei DHL Supply Chain. Das Ergebnis hat zugelegt! Aber auch die anderen DHL-Divisionen verzeichnen – trotz der Rückgänge – immer noch sehr ansehnliche Margen. Und trotz aller weltwirtschaftlichen Widrigkeiten konnten wir einen Free Cashflow von 1,1 Milliarden Euro generieren. Das gibt uns die Kraft, unsere Investitionen in profitables Wachstum auch in einem schwierigen Umfeld beizubehalten.
Die im Vergleich zum Vorjahr rückläufigen Zahlen der Divisionen DHL Express, DHL Global Forwarding, Freight und DHL eCommerce bereiten Ihnen also keine Sorgen?
Tobias Meyer: Nein, diese Entwicklungen haben wir aufgrund der makroökonomischen Lage erwartet. Bei DHL Global Forwarding, Freight sehen wir eine weitere Normalisierung der Frachtraten. Zudem haben geringere Frachtvolumen und negative Wechselkurseffekte das Ergebnis belastet. Insbesondere bei DHL eCommerce und DHL Express haben wir in den Ausbau unseres Netzwerks investiert. Angesichts des schwächeren Welthandels ist das Volumen bei Express rückläufig. Das heißt aber auch: Wir haben ausreichend Kapazitäten, um die Peak-Mengen im vierten Quartal gut zu bewältigen. Und wir stehen bereit, wenn der Welthandel wieder Fahrt aufnehmen wird.
Post & Paket Deutschland ist weniger vom Welthandel abhängig, dennoch ist auch hier das Ergebnis rückläufig. Warum?
Tobias Meyer: Das hat strukturelle Gründe, die im dritten Quartal erneut deutlich sichtbar geworden sind. Die Briefmengen sind im Jahresvergleich um 6,1 Prozent zurückgegangen. Gleichzeitig steigen auch bei uns die Kosten, insbesondere für Energie und Personal. Wir dürfen diesen Kostenanstieg im Briefbereich jedoch nicht an die Kunden weitergeben. Die Ablehnung einer frühzeitigen Portoerhöhung durch die Bundesnetzagentur ist für uns nicht nachvollziehbar. Es wird immer schwieriger, den Universaldienst aufrechtzuerhalten und zugleich notwendige Investitionen in unsere Infrastruktur vorzunehmen. Deshalb begrüßen wir die Debatte um eine Novelle des Postgesetzes. Wir brauchen einen zeitgemäßen regulatorischen Rahmen, der das veränderte Kommunikationsverhalten der Menschen berücksichtigt.
Sie haben gerade von ansehnlichen Margen im internationalen DHL-Geschäft gesprochen. Lassen sich damit die Rückgänge im Inlandsgeschäft nicht ausgleichen?
Tobias Meyer: Die weltweite Solidarität bei DHL Group ist beeindruckend. Wenn es in einem Bereich operativ temporär nicht so gut läuft, ist es selbstverständlich, dass die anderen Divisionen mit anpacken und aushelfen. Das war bei Express Americas vor 15 Jahren so und auch nach einer schwierigen IT-Umstellung bei Global Forwarding, Freight. Bei Post & Paket haben wir aber kein operatives, sondern ein strukturelles Problem – und das bedarf einer strukturellen Lösung. Die Division hat im Jahr 2022 keinen Beitrag zur Dividende geleistet und wird dies auch in 2023 nicht tun. Alles, was verdient wird, wird für Investitionen in dem Bereich verwendet. So weit können wir gehen, aber nicht weiter. In einem privatwirtschaftlichen Unternehmen muss jede Division strukturell für sich in der Lage sein, ihre Investitionen zu erwirtschaften. Diesen Anspruch haben wir auch an Post & Paket. Deswegen brauchen wir zeitgemäße Rahmenbedingungen und ein neues Postgesetz.
Ende November nehmen Sie an der UN-Klimakonferenz COP28 in Dubai teil. Wo steht der Konzern bei seinen ambitionierten Plänen für die grüne Transformation?
Tobias Meyer: Die Logistik in eine klimaneutrale Zukunft zu führen, ist eine Herkulesaufgabe, der wir als Führungsmannschaft des Konzerns oberste Priorität einräumen. Neben langfristigen Dekarbonisierungszielen zählt dabei vor allem, was wir im Hier und Jetzt ausrichten – pragmatisch und zielorientiert. Post & Paket etwa betreibt mit mehr als 25.000 Elektrotransportern bereits heute die größte Flotte an E-Fahrzeugen in Deutschland. Gleichzeitig sehen wir eine steigende Nachfrage für unseren klimaneutralen Paket- und Warenpostversand GoGreen Plus. Den größten Hebel zur Reduzierung von Emissionen bieten sicherlich alternative Flugkraftstoffe für die Luftfracht. Wir haben bereits mehrere große Partnerschaften geschlossen und kurbeln durch unsere Nachfrage globale Investitionen in diesem Bereich an. Um die Produktion jedoch in großem Umfang zu skalieren, braucht es weit mehr Kapital und große Projektinvestitionen.