"Dank unseres guten Cashflows und unserer starken Bilanz können wir uns Zukunftsinvestitionen leisten."
Der Logistikkonzern DHL Group hat das zweite Quartal trotz erheblicher Unsicherheiten im globalen Handel mit einem Ergebniswachstum abgeschlossen. Während der Umsatz zurückging, verbesserte sich das operative Ergebnis (EBIT) um 5,7 Prozent auf 1,4 Milliarden Euro. Im Interview mit DHL Group News spricht CFO Melanie Kreis über die gesteigerte Profitabilität. Zudem erläutert sie, wie die DHL Group bei der Umsetzung der "Strategie 2030" mit ihren Investitionen in neue Wachstumsmärkte und -regionen vorankommt und warum sich der Konzern insgesamt gut für die zweite Jahreshälfte aufgestellt sieht.

Frau Kreis, wie bewerten Sie das Abschneiden der DHL Group im zweiten Quartal?
Melanie Kreis: Angesichts des herausfordernden Umfelds haben wir das zweite Quartal mit einem guten Ergebnis abgeschlossen. In den vergangenen Monaten hat die Unsicherheit im Welthandel einen neuen Höhepunkt erreicht. Wesentliche Faktoren waren die Handelskonflikte, die Eskalation des Nahostkonflikts und der weiter andauernde Ukraine-Krieg. Diese Gemengelage beeinträchtigt den Welthandel. In diesem Umfeld zahlt sich einmal mehr unsere globale Aufstellung und die Diversifizierung unseres Produktportfolios aus. Die DHL Group ist wie kein anderes Unternehmen in der Lage, Kunden bei der Diversifizierung ihrer globalen Lieferketten zu unterstützen. Deshalb verzeichnen wir auch in einem unsicheren Umfeld eine robuste Ergebnisentwicklung.
Trotz des geringeren Momentums im Welthandel konnte die DHL Group im zweiten Quartal das operative Ergebnis deutlich verbessern. Wie ist das gelungen?
Melanie Kreis: Der langsameren Volumenentwicklung begegnen wir mit strenger Kostendisziplin und konsequentem Ertragsmanagement. Darüber hinaus arbeiten wir an strukturellen Kostenverbesserungen durch unser konzernweites Programm Fit for Growth und haben dabei bereits erste Erfolge erzielt. Als Resultat konnten wir beim operativen Ergebnis im zweiten Quartal um fast 6 Prozent zulegen; die EBIT-Marge stieg um 0,7 Prozentpunkte auf 7,2 Prozent. Und das wohlgemerkt in einem Quartal mit einer für uns insgesamt ungünstigen Währungsentwicklung. Ohne Wechselkurseffekte wäre unser Ergebniswachstum noch deutlicher ausgefallen.
Ein verbessertes EBIT, aber ein rückläufiger Free Cashflow. Wie passt das zusammen?
Melanie Kreis: Der Rückgang beim Free Cashflow reflektiert vor allem, dass wir bei der Umsetzung unserer Strategie 2030 gut vorankommen. Wir investieren organisch und anorganisch, um unsere Fähigkeiten in wichtigen Wachstumsfeldern wie der Pharmalogistik oder dem E-Commerce auszubauen. Im zweiten Quartal haben wir beispielsweise die Akquisitionen von CRYOPDP, einem Anbieter von Kurierdienstleistungen im Bereich Klinische Studien, Biopharma und Zell- und Gentherapien, und IDS Fulfillment abgeschlossen. Auch Investitionen in Digitalisierung, Automatisierung und Robotik stehen bei uns oben auf der Prioritätenliste, weil wir damit unsere Produktivität und Effizienz verbessern. Dank unseres guten Cashflows und unserer starken Bilanz können wir uns Zukunftsinvestitionen leisten und damit wichtige Weichen für unser Wachstum stellen. Wenn wir die Kosten für Übernahmen und Akquisitionen ausklammern, liegen wir beim Free Cashflow nach sechs Monaten über dem Vorjahresniveau. Das unterstreicht noch einmal unsere Cashflow-Stärke.
Im Fokus der Strategie 2030 stehen auch Investitionen in die größten Wachstumsmärkte der Welt. Wie kommen Sie hier voran?
Melanie Kreis: Sehr gut. Unser Fokus gilt insgesamt 20 Ländern mit großem Wachstumspotenzial. Dazu gehören unter anderem Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate. Im Juni haben wir Investitionen von rund 500 Millionen Euro im Nahen Osten angekündigt. Die Region profitiert davon, dass sich globale Handelsströme verschieben und Unternehmen ihre Lieferketten diversifizieren. Sie ist geografisch optimal gelegen als Brücke zwischen Asien, Europa und Afrika. Die DHL Group ist im Nahen Osten bereits seit vielen Jahren aktiv und hoch angesehen. An diese positive Entwicklung wollen wir anknüpfen mit strategischen Investitionen, etwa in die Luftfracht. So können wir unsere Kunden in der Region noch besser unterstützen und von der globalen Diversifikation der Lieferketten profitieren.
Schauen wir im Einzelnen auf die Divisionen. Auch hier zeigt sich im zweiten Quartal die Stärke der DHL Group als breit aufgestellter und diversifizierter Logistikkonzern.
Melanie Kreis: Im abgelaufenen Quartal haben sich die Divisionen teilweise sehr unterschiedlich entwickelt. Eine geringere Dynamik in der Volumenentwicklung in manchen Bereichen konnten wir jedoch mit einer sehr starken Leistung in anderen Bereichen ausgleichen. Im Straßenfrachtgeschäft beispielsweise spüren wir die anhaltende konjunkturelle Schwäche in Europa. Auch in der Luft- und Seefracht gab es keinen signifikanten Rückenwind. Auf der anderen Seite zeigen sich im starken Ergebnis von DHL Supply Chain zwar Einmaleffekte, aber auch organisch war das Quartal stark.
Bleiben wir kurz bei den Divisionen DHL Global Forwarding, Freight und DHL Supply Chain: Hier wurden für den 16. August 2025 Vorstandswechsel angekündigt. DHL Supply Chain CEO Oscar de Bok folgt auf Tim Scharwath bei DHL Global Forwarding, Freight und Hendrik Venter wird neuer CEO von DHL Supply Chain. Was sind die Hintergründe?
Melanie Kreis: Richtig. Tim Scharwath, der CEO von DHL Global Forwarding, Freight geht in den Ruhestand. Unter seiner Führung hat DHL Global Forwarding, Freight in den vergangenen Jahren viel geleistet und erreicht. Die Division ist heute profitabler, kundenorientierter und effizienter als bei seiner Berufung im Jahr 2017. Oscar de Bok wiederum übergibt eine Division in Bestform, die 2024 erstmals mehr als 1 Milliarde Euro EBIT zum Konzernergebnis beigetragen hat. Um die Erfolgsgeschichte von DHL Supply Chain fortzuschreiben, ist Hendrik Venter genau der Richtige. Er verfügt über mehr als 15 Jahre Führungserfahrung in der Division und verantwortet aktuell das Geschäft in 25 verschiedenen Märkten. Mit Oscar de Bok und Hendrik Venter übernehmen die idealen Nachfolger. Sie stehen für Kontinuität und Stabilität, sie sind erfahren und respektiert. In Summe können wir in beiden Divisionen weiterhin mit einem Top-Führungsteam an der Umsetzung unserer Strategie 2030 und damit an nachhaltigem Wachstum arbeiten.
Zurück zu den Ergebnissen der anderen Divisionen: DHL Express hat trotz rückläufiger Sendungsmengen beim Kernprodukt, den zeitgenauen internationalen Sendungen (Time Definite International, TDI), beim Ergebnis zulegt.
Melanie Kreis: DHL Express hat das Ergebniswachstum durch die Verbindung aus effektivem Kapazitätsmanagement, strukturellen Kostenverbesserungen und Preisanpassungen geschafft. Auf der einen Seite atmet unser Netzwerk also mit der Konjunktur, auf der anderen Seite steigern wir unsere Effizienz. Das gelingt beispielweise durch verbesserte operative Abläufe oder Investitionen in wirtschaftlichere Flugzeuge. Hinzu kommen die Effekte aus den jährlichen Preisanpassungen. Priorität bei DHL Express bleibt jedoch immer eine hohe Qualität unserer Dienstleistungen. Das Zusammenspiel dieser unterschiedlichen Maßnahmen zeigt Wirkung.
Bei Post & Paket Deutschland ist der Umsatz zurückgegangen, das EBIT aber gestiegen. Was sind die Gründe?
Melanie Kreis: Die Umsatzentwicklung von Post & Paket Deutschland spiegelt den anhaltenden und sehr deutlichen Briefmengenrückgang wider. Im zweiten Quartal war das ein Minus von 9 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Wir spüren auch die konjunkturelle Schwäche in Deutschland. Die Paketmengen sind zwar weitergewachsen, jedoch weniger stark als zuvor. Dass die Division ihr operatives Ergebnis trotz dieser Entwicklungen und den Belastungen aus den Tarifvereinbarungen verbessern konnte, ist auch ein Verdienst unseres erfolgreichen Ertrags- und Kostenmanagements. Nach einem halben Jahr liegt das operative Ergebnis der Division bei 447 Millionen Euro und damit wie geplant über dem Vorjahreszeitraum. Post & Paket Deutschland muss jährlich aber mindestens 1 Milliarde Euro verdienen, damit wir die Investitionen für die Umstellung vom Brief- auf das Paketgeschäft und die Dekarbonisierung finanzieren können.
Nach den Turbulenzen der vergangenen Monate: Was erwarten Sie für die zweite Jahreshälfte?
Melanie Kreis: Die Unsicherheit bleibt. Wir sehen derzeit viele, harte Verhandlungen über neue Handelsabkommen. Es zeichnet sich ab, dass das Zollniveau im internationalen Handel mit den USA über das Niveau steigt, das wir aus der jüngeren Vergangenheit kennen. Die Zolleinigung zwischen den USA und der EU zeigt hier die Richtung auf. Das Ergebnis ist sicher nicht so, wie sich das die Befürworter des freien Handels vorgestellt haben: Trotzdem ist es gut, dass es eine Einigung gibt. Entscheidend ist, dass sie verlässlich ist, dann gibt sie Unternehmen Stabilität und Planungssicherheit zurück.
Es gibt aber auch Entwicklungen, die mich tendenziell zuversichtlich stimmen. Da wäre beispielsweise der vorsichtige Stimmungswechsel in Europa. Deutschland geht mit einem großen fiskalischen Impuls voran, viele große Unternehmen bekennen sich zu Investitionen am Standort Deutschland. Hier kann ein Momentum entstehen. Wenn Deutschland die Rezession hinter sich lassen kann, wird auch Europa konjunkturell mitziehen. Wir sind jedenfalls weltweit gut aufgestellt, um unsere Kunden in einer Vielzahl von Szenarien zu begleiten.
Was heißt das konkret für die Prognose der DHL Group für das laufende Geschäftsjahr?
Melanie Kreis: Wir haben bislang nur eine geringe weltwirtschaftliche Dynamik gesehen und wir erwarten nicht, dass sich daran im Jahresverlauf etwas signifikant ändert. Entsprechend bleibt auch unsere Prognose für das Geschäftsjahr 2025 unverändert. Wir rechnen also weiterhin mit einem operativen Ergebnis von mindestens 6 Milliarden Euro.