Ein Boom mit Zukunft - wie sind die Aussichten für E-Commerce?
Online-Einzelhandel und Paketversand sind in der Pandemie sprunghaft angestiegen, doch inzwischen hat sich das Wachstum wieder normalisiert. Was ist also beim E-Commerce zu erwarten? Hier sind die wichtigsten Trends.
Eine neue E-Commerce-Landschaft?
Man muss weder Experte noch Visionär sein, um festzustellen, dass das Frühjahr 2020 eine nachhaltige Auswirkung auf eine ganze Generation haben wird. Lockdown-Maßnahmen und Ausgangssperren brachten das öffentliche Leben in vielen Teilen der Welt zum Stillstand. Der Einzelhandel kam zum Erliegen, Stadtzentren wurden zu Geisterstädten. Pläne und Prognosen wurden über Nacht hinfällig.
Während das Virus persönlichen Aktivitäten in der physischen Welt einen Riegel vorschob, hat die digitale Welt in rasantem Tempo an Fahrt aufgenommen. Das Homeoffice wurde zum neuen Standard, und die Menschen gewöhnten sich an virtuelle Meetings und "pendelten" zur Arbeit an ihrem Küchentisch oder im Gästezimmer.
Zu Hause festsitzend begannen alle, auf den "Kaufen"-Button zu klicken. Die Online-Umsätze schossen in die Höhe und verliehen dem bereits bestehenden Aufwärtstrend noch einmal einen deutlichen Schub. Derzeit wird einer von fünf Artikeln online gekauft - verglichen mit lediglich 14 Prozent vor der Pandemie.
Drei Jahre später - in einer Welt, die sich von der Pandemie verabschiedet - stehen wir vor der unvermeidlichen Frage, wie nachhaltig dieser kometenhafte Aufstieg in den Jahren 2020 und 2021 war. Die Antwort kennen wir bereits: Wie erwartet hat sich die Dynamik beim Wachstum der Online-Umsätze nicht fortgesetzt, und der stationäre Einzelhandel hat sich leicht erholt. Die Pandemie hat also nicht das gesamte Verbraucherverhalten verändert. Allerdings entsteht gerade eine neue E-Commerce-Landschaft. Doch wie wird sie aussehen? Schauen wir uns die wichtigsten Trends an, die die Zukunft des Online-Einzelhandels prägen werden.
Postpandemische Prognosen
Deutschland - einer unserer größten und wichtigsten Märkte - stellt eine interessante Fallstudie dar. Während die Online-Einzelhandelsumsätze im Bereich B2C 2020 um 23 Prozent und 2021 um 19 Prozent zunahmen, hat sich der Trend deutlich abgeschwächt. Laut Statista wird nach einem Negativwachstum von minus 2,5 Prozent im Jahr 2022 für den deutschen Markt 2023 wieder ein Zuwachs von etwa 5,7 Prozent erwartet.
Aber das scheint nicht allein das Ergebnis einer Rückkehr zur Normalität nach der Pandemie zu sein. Aufgrund von Faktoren, wie etwa geopolitische Spannungen, Energiekrise sowie zunehmende Inflation, sind die Verbraucher vorsichtiger geworden, vor allem in den Bereichen Mode und Technologie. Darüber hinaus beobachten wir einen Trend zu volleren Online-Warenkörben und weniger Retouren, was sich auf das Paketvolumen auswirkt. Die Menschen sparen lieber für den nächsten Urlaub, als dass sie sich neue Jeans gönnen.
Dennoch geht McKinsey davon aus, dass ein Durchschnittsverbraucher in Deutschland 2023 40 Pakete erhalten wird (2018 waren es lediglich 24). Für 2026 wird ein Anstieg auf 50 Pakete prognostiziert. Die Jahre 2020 und 2021 könnten diese Prognosen allerdings verfälschen. Denn die Aussichten sind derzeit wesentlich unsicherer.
Umsatzwachstum im E-Commerce-Einzelhandel weltweit
* Prognose Quelle: eMarketer
Der (neue) Normalzustand - Licht und Schatten
Auch wenn sich die Zahlen an die Prognosen vor der Pandemie angepasst haben, hat sich das Wachstum im E-Commerce verlangsamt. Dies hat vielfältige Auswirkungen. eMarketer erwartet, dass die Umsätze im E-Commerce-Einzelhandel 2023 um 8,9 Prozent steigen und auch in absehbarer Zukunft in dieser Größenordnung liegen werden. In den Jahren vor Covid, von 2015 bis 2019, betrug die Wachstumsrate zwischen 20 Prozent und 28 Prozent.
Eine gemeinsame Studie des Internationalen Währungsfonds (IWF) und des Mastercard Economics Institute ermittelte je nach Volkswirtschaft und Branche erhebliche Unterschiede. Der Anteil der Online-Ausgaben stieg und fiel am drastischsten in den Volkswirtschaften und Sektoren, in denen sich E-Commerce bereits vor der Pandemie erfolgreich entwickelt hatte.
Dennoch rechnen wir in Zukunft mit höheren Paketaufkommen. Ungeachtet des geringeren Wachstumstempos bildet E-Commerce weiterhin einen wichtigen prosperierenden Sektor der Weltwirtschaft. Die aktuellen Herausforderungen wie etwa geopolitische Spannungen und Handelshemmnisse erforderten eine Neuorganisation der Lieferketten, haben die Eigendynamik des Sektors aber nicht erstickt. So ist beispielsweise der grenzüberschreitende Online-Handel innerhalb von Europa stabil - ungeachtet Ukrainekrieg, Inflation, Energiekrise sowie internationalen wirtschaftspolitischen Spannungen.
Niemand erwartet, dass die Auswirkungen der Pandemie einfach verschwinden. Die Umsätze sind in einigen Produktkategorien inzwischen deutlich höher. So haben sich viele Menschen in den vergangenen Jahren Haustiere zugelegt und damit die Online-Nachfrage nach Tierfutter angefacht. Und neue Marktplatz-Modelle - wie die von Kunden für Kunden (C2C) gedachte Secondhand-Mode-Community Vinted - finden immer mehr Zuspruch. IWF und Mastercard sehen für E-Commerce ebenfalls Potenzial in digital noch nicht so stark ausgeprägten Branchen, wie Einzelhandel, Restaurants und Gesundheitswesen, insbesondere in weniger entwickelten Märkten.
Das Geschäft wird immer mobiler
Plattformen wie Facebook, Instagram und TikTok werden für Online-Käufer zunehmend zu zentralen Einstiegspunkten und schaffen damit einen immer wichtigeren Trend zum "Social Commerce". Künstliche Intelligenz wird diese Entwicklung weiter anfeuern und Online-Einzelhändlern Werkzeuge an die Hand geben, um aus dem Nutzerverhalten personalisierte Anzeigen und Angebote abzuleiten.
Diese KI-Werkzeuge verändern im Handumdrehen die Spielregeln und bieten immer besser zugeschnittene Einkaufserlebnisse, was von der technikaffinen Generation Z begrüßt wird. Sie verlangt ein nahtloses, dynamisches und flexibles Shoppingerlebnis direkt vom Smartphone aus, das einen Plattformwechsel überflüssig macht.
Mobiltelefone werden vor allem bei jüngeren Nutzern weiterhin das wichtigste Werkzeug für Online-Shopping sein. Laut Meinungsforschungsinstitut Pew Research Center erledigen drei Viertel aller Erwachsenen in den USA Einkäufe mit dem Smartphone. Bei den unter 50-Jährigen ist diese Zahl noch höher.
Ganz auf E-Commerce setzen
Unter dem Strich führt kein Weg an E-Commerce vorbei - aber die Umsetzung sollte einfach und finanziell tragbar sein. Online-Einzelhändler müssen sehr gute Servicequalität mit zuverlässiger Lieferung und wettbewerbsfähigen Preisen verknüpfen.
McKinsey warnt Unternehmen vor Selbstgefälligkeit, da sie sonst Gefahr laufen, die nächste E-Commerce-Welle zu verpassen. Das Stichwort lautet: Anpassung. Da die Prognosen auf höhere Online-Erträge hinweisen, investieren zwar zahlreiche Unternehmen in großem Umfang, betrachten E-Commerce aber immer noch als "Beigabe" zum Hauptgeschäft - eine Ansicht, die zunehmend überholt erscheint.
Stattdessen sollten Sie sich unentbehrlich machen - das heißt, sich voll und ganz im E-Commerce engagieren, aber nicht nur auf den Verkauf einer bestimmten Palette an Produkten setzen. Vielmehr sollten Sie die Verbraucher bei allen Aspekten im Zusammenhang mit Ihrem Produkt unterstützen. Wenn Sie etwa Laufschuhe verkaufen, könnten Sie die Anmeldung beim nächsten örtlichen Marathon, Ernährungspläne oder Kontakt zu örtlichen Laufgruppen anbieten.
Auf lange Sicht: Logistik und Nachhaltigkeit bieten neue Chancen
Mit Blick in die Zukunft werden Logistik und Nachhaltigkeit auch die Entwicklung der E-Commerce-Landschaft prägen - und zu einem wichtigen Unterscheidungsmerkmal werden, wenn Verbraucher umweltfreundlichere Produkte verlangen. Etwa 12–20 Prozent der Kosten für E-Commerce gehen auf die Logistik zurück und schmälern so die Gewinnspanne. Zudem tragen die Lieferketten in erheblichem Umfang zu den CO2-Emissionen bei.
Optimierte Lieferketten werden die Unternehmen durch Nutzung von Daten und KI beim Erreichen ihrer Nachhaltigkeitsziele unterstützen. Kreislauf-Wirtschaftsmodelle entwickeln sich rasant und verlangen im Rahmen der Rückwärtslogistik nachhaltige Lösungen. Das eröffnet sowohl für Einzelhändler als auch für Logistikanbieter entsprechende Chancen. Deshalb erwarten wir ein langfristiges Wachstum im B2C- und B2B-E-Commerce sowie eine Verlagerung von großen Sammelsendungen hin zu individuelleren Lieferungen.
Wir unternehmen bereits Schritte hin zu einer nachhaltigeren Logistik. Mit GoGreen Plus können unsere Kunden Verbraucher beispielsweise mit klimaneutralen Lieferungen ins Boot holen. Vor allem jüngere Käufer treffen zunehmend Kaufentscheidungen anhand der Verfügbarkeit klimafreundlicher Lieferoptionen.
Der Weg vor uns ist spannend und vielversprechend
Während wir uns in dieser dynamischen Landschaft bewegen, ist eine Sache klar: E-Commerce ist nicht nur eine "Beigabe" zu herkömmlichen Geschäftsmodellen, sondern ein spannender Geschäftszweig, der sich ständig weiterentwickelt. Zukunftsorientierte Einzelhändler begegnen ihren Kunden ganzheitlicher und bereichern das Kundenerlebnis. Sie stellen auch ihre Lieferketten um, schaffen in diesem Zuge eine solidere Grundlage für Retourenmanagement und Kreislaufwirtschaft und nutzen Daten sowie KI für eine kostengünstigere und umweltfreundlichere Logistik.
Auch wenn Prognosen immer ungewiss sind, steht der Online-Handel mit Sicherheit vor einer dynamischen Zukunft.